Wien - Neue Rechenmethoden der EU-Kommission verschaffen Spanien bei seiner Konsolidierung etwas Luft. Konkret setzt die EU die natürliche Arbeitslosenrate Spaniens um ganze vier Prozentpunkte herab, nachdem die Art der Berechnung von Ökonomen teilweise harsch kritisiert wurde. Die natürliche Arbeitslosenrate zeigt, wie viele Menschen ohne Arbeit bleiben, wenn eine Volkswirtschaft mit Volldampf läuft.
Bis vor kurzem rechnete die Kommission für Spanien mit 25 Prozent, jetzt sind es nur mehr 21 Prozent. Die Änderung sollte eigentlich schon im Vorjahr über die Bühne gehen. Experten der Kommission hatten einen Vorschlag unterbreitet, der dann aber wieder zurückgezogen wurde. Das "Wall Street Journal" zitierte damals einen EU-Mitarbeiter, wonach die Regierungen einiger Länder besorgt über eine laxere Budgetpolitik unter Krisenländern gewesen seien. Ökonomen kritisierten das scharf.
Kritik von Ökonomen
"Die Zahlen der EU haben überhaupt kein Fundament. Niemand kann mich überzeugen, dass ein Anstieg von acht auf 25 Prozent in der Arbeitslosigkeit strukturell war", sagt Marcel Jansen von der Autonomen Universität Madrid im Gespräch mit derStandard.at. Er sieht in der Verwendung "altmodischer Instrumente" den Versuch der EU, sich und ihre politischen Konzepte zu verteidigen. Auch Javier Andrés von der Uni Valencia hält die Werte der EU für wenig brauchbar. Der Ökonom hat eigene Berechnungen angestellt und kommt für Spanien auf ein strukturelles Defizit, das halb so groß ist wie das von der EU berechnete.
Das Konzept der natürlichen Arbeitslosigkeit hat vor allem seit der Krise stark an Bedeutung gewonnen. In den vergangenen Jahren sind die Zahlen für die Krisenländer drastisch angestiegen. Das deutet laut Kommission darauf hin, dass die Probleme strukturell und nicht durch die schwache Konjunktur bedingt sind. Vor allem in Spanien ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen hoch, deren künftige Jobchancen gering sein dürften. Das treibt die Rate nach oben. Für viele Ökonomen war der Anstieg aber deutlich zu stark.
Skepsis bleibt
Die natürliche Arbeitslosigkeit fließt in der EU-Kommission in die Berechnung des strukturellen Defizits ein. Das ist das theoretische Defizit eines Landes, wenn die Wirtschaft ihr volles Potenzial ausschöpft. Je größer der Abstand zwischen realer und natürlicher Arbeitslosigkeit, desto kleiner ist das strukturelle Defizit und desto weniger sollte ein Staat sparen, sagen Ökonomen.
Laut EU-Kommission soll die neue Rechenmethode nur für Spanien größere Auswirkungen haben, obwohl sich die EU-Zahlen für die anderen Krisenländer in den vergangenen Jahren ähnlich entwickelt haben. Aktualisierte Zahlen gibt es bisher aber nur für Spanien. Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien ist auch bei den neuen Zahlen skeptisch. Das Konzept der Kommission hält er aber für grundsätzlich sinnvoll. Weil die Methode aber nicht ganz genau sei, sei die Tendenz wichtiger als die exakte Zahl.
Fiskalpakt
Die EU-Kommission erwartet für Spanien heuer ein Defizit von 5,8 Prozent, noch geht sie von einem strukturellen Defizit von 4,2 Prozent aus. Im Mai sollen dann die neuen, niedrigeren Zahlen veröffentlicht werden. Am strukturellen Defizit analysiert die EU-Kommission unter anderem, ob ein Land ausreichend Anstrengungen zur Konsolidierung des Budgets unternimmt. Die neue Rechenmethode hat laut Kommission aber auf das aktuelle Defizitverfahren Spaniens keine Auswirkungen. Damit Staaten besser planen könnten, würden technische Änderungen wie die jetzige nicht berücksichtigt.
Auf den Fiskalpakt, die im Vorjahr europaweit eingeführte Schuldenbremse, hat die neue Rechnung jedenfalls Auswirkungen. Der Fiskalpakt verpflichtet Länder dazu, ihr strukturelles Defizit auf maximal 0,5 Prozent zu verringern. Die neue Berechnungsmethode wird es Spanien künftig erleichtern, dieses Ziel zu erreichen. (Andreas Sator, derStandard.at, 11.4.2014)