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Übergangspremier Arseni Jazenjuk versucht bei Gesprächen mit Regionalpolitikern und Wirtschaftsvertretern in Donezk die Gemüter zu beruhigen.

Foto: AP Photo/Efrem Lukatsky

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Während Jazenjuk mit Oligarchen verhandelt, verstärken prorussische Demonstranten in Donezk ihre Barrikaden.

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Ein eisiger Wind empfängt den Chef der ukrainischen Übergangsregierung, als er das schwerbewachte Gebäude der Handelskammer von Donezk im Norden der Stadt betritt. Noch hagerer als sonst, trifft Arseni Jazenjuk dort auf die "Donezker Elite", wie die größte ukrainische Tageszeitung Segodna das Treffen umschreibt.

Dem Gouverneur der Region, Sergej Taruta, und Donezks Bürgermeister Alexander Lukjantschenko verspricht Jazenjuk Zugeständnisse: Gesetze, die ihre Forderungen nach regionalen Referenden und mehr Selbstbestimmung berücksichtigen, wolle er auf den Weg bringen. Auch über die Verteilung der Steuergelder, die dort gezahlt werden und bisher komplett nach Kiew gehen, könne gesprochen werden.

Insgesamt ist vieles ungewöhnlich an der Sitzung, an der neben Jazenjuk auch dessen Stellvertreter Wladimir Groismann teilnimmt, der dem Lager von Präsidentschaftskandidat und Oligarch Petro Poroschenko zugeordnet wird: Neben lokalen Regierungsvertretern und Repräsentanten haben sich fast 70 Kamerateams und Journalisten aus der ganzen Welt eingefunden.

Oligarch im Gedränge

Auch der reichste Mann des Landes, der Multimilliardär Rinat Achmetow, ist gekommen. Ihm scheinen das Gedränge und die vielen Neugierigen nicht ganz geheuer. Bilder, wie sie die TV-Kameras jetzt in die Wohnstuben der Ukrainer liefern, waren vor ein paar Wochen noch undenkbar. Der mächtige Achmetow mied über Jahre die Öffentlichkeit, jetzt sitzt der Oligarch, umringt von Journalisten und Mitarbeitern, an einem Konferenztisch und wirkt etwas beunruhigt.

Von der Kopfseite des Tisches hat Ministerpräsident Jazenjuk Achmetow im Blick. Erst nachdem die Bürgermeister der Städte Donezk und Charkiw ihre Stellungnahmen abgegeben haben, in denen sie mehr Entscheidungskompetenz für die einzelnen Regionen fordern, ergreift Achmetow das Wort: Er wünsche sich eine friedliche Lösung der Probleme. "Ich bin gegen eine gewaltsame Räumung des Sitzes der Regionalregierung, nur Verhandlungen können eine Lösung bringen", lautet seine erste Forderung. Dann verdeutlicht er sein wichtigstes Anliegen: "Donezk und der Donbass gehören zur Ukraine." Außerdem gibt er Jazenjuk und dem halben Kabinett, das mit dem Regierungschef angereist ist, mit auf den Weg: "Die Menschen im Donbass wollen aber von Kiew akzeptiert werden."

Nicht mit am Tisch sitzen die Vertreter der Besetzer der Donezker Regionalverwaltung. Die selbsternannte Übergangsregierung der "Republik Donezk" hat zuletzt die Bildung einer Volksarmee angekündigt. Am Vormittag hatten sich knapp 1000 Menschen vor dem besetzten Gebäude versammelt. Viele halfen dabei, die Barrikaden zu verstärken, die an manchen Stellen mittlerweile mehrere Meter hoch sind.

Am Nachmittag reiste Jazenjuk weiter nach Dnipropetrowsk, um mit dem dortigen Gouverneur Igor Kolomoiskiy und Vertretern benachbarter Städte wie Lugansk und Saporischschja zu verhandeln. In einer Erklärung sprach er sich für eine Verfassungsänderung noch vor den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai aus, damit sich "der neue Präsident nicht wieder selbst eine Verfassung schreibt".

"Putin auf Saddams Spuren"

In Kiew traf unterdessen der schwedische Außenminister Carl Bildt zu einer Konferenz ein. Am Rande sagte er, Russlands Präsident Wladimir Putin sei auf dem gleichen Weg wie einst Saddam Hussein im Irak: Auch der habe sich immer weiter von der internationalen Gemeinschaft entfernt und sein Land damit in eine Sackgasse geführt.

Polen, Schweden und Großbritannien drängen darauf, dass die EU die Ukraine im aktuellen Konflikt mit Russland stärker unterstützt und eine europäische Polizeimission in das Land entsendet, die beim Aufbau eines Sicherheitsapparats hilft.

Wie ernst die Lage der Ukraine ist, ist am Kursverfall der Landeswährung sichtbar: Für einen Euro mussten am Freitag bereits 17 Griwna bezahlt werden. (Nina Jeglinski, DER STANDARD, 12.4.2014)