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Reichlich beschenkt: Wahlsieger Tayyip Erdogan (li.), Stiftungsvorstand Bilal Erdogan.

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15 Mal hat die Regierungspartei auszählen lassen, und weil das Ergebnis dann immer noch nicht stimmte, ist die Wahl in Agri, einer Stadt mit rund 100.000 Einwohnern weit im Südosten der Türkei, an der Grenze zum Iran, eben annulliert worden. Zehn Stimmen Vorsprung hatte Sirri Saki, der Kandidat der Kurdenpartei BDP. Trotz allen Nachzählens wurden sie nicht weniger. Jetzt wählt Agri am 1. Juni noch einmal.

Knapp zwei Wochen nach den hart umkämpften Kommunalwahlen in der Türkei gibt es noch keine offiziellen Endergebnisse, doch viele der Streitfälle bei der Stimmauszählung sind entschieden - nicht immer, aber oft im Sinne der konservativ-religiösen AKP von Premier Tayyip Erdogan.

Mansur Yavas und die Sozialdemokraten der CHP in Ankara scheiterten am Mittwoch auch vor der Obersten Wahlkommission mit ihrem Antrag auf Neuauszählung in der Hauptstadt. 124.000 Stimmen seien strittig, gab die Opposition an. Türkischen Medienberichten zufolge gab es bei der Wahl zahlreiche Verwechslungen bei den Umschlägen für den Bürgermeisterkandidaten und den Distriktvorsteher. So soll es gekommen sein, dass die CHP in ihrer Hochburg in Ankaras Zentrumsviertel Çankaya schlecht abschnitt. Sie wolle nun das Höchstgericht anrufen, so kündigte die CHP an; und wenn dies fehlschlagen sollte, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

45 Prozent erhielt die AKP landesweit trotz Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung und kompromittierenden Enthüllungen; die CHP als größte Oppositionspartei legte - weit abgeschlagen - um fünf Punkte auf 28 Prozent zu.

Agri im Südosten wäre eine der wenigen Städte, die Erdogans AKP im kurdischen Gebiet hielte - deshalb die Verbissenheit der Regierungspartei mit der Rückgängigmachung der Wahl. Der Verlust der Hauptstadt Ankara dagegen, würde eine schwere, symbolische Niederlage für die AKP bedeuten. Ihr Bürgermeister Melih Gökçek tritt nun seine fünfte Amtszeit an.

Auch in Yalova, einer Stadt am Marmara-Meer will sich die Regierungspartei nicht geschlagen geben. Nach der Wahl reklamierte sie den Sieg mit nur einer Stimme Vorsprung für sich. Eine Neuauszählung brachte sechs Stimmen Mehrheit für die CHP. Nun untersucht die Oberste Wahlkommission auch hier mögliche Unregelmäßigkeiten.

Millionen für Bilal

Noch ganz anderes Zahlenwerk beschäftigt seit Donnerstag Politik und Öffentlichkeit in der Türkei: Knapp 100 Millionen Dollar an Spenden aus dem Ausland - angeblich exakt 99.999.990 Dollar - hat eine Stiftung erhalten, in deren Vorstand Erdogans jüngerer Sohn Bilal sitzt. Das erklärte Vizepremier Bülent Arinç auf die Anfrage eines CHP-Abgeordneten. Aus welcher Quelle die Summe für die Jahre 2008 bis 2012 stammt, sagte er nicht. Die Stiftung Türgev kümmert sich um den Bau von Studentenwohnheimen, ist aber mit Grundstücksgeschäften von Bilal Erdogan in Verbindung gebracht worden. (Markus Bernath in Istanbul, DER STANDARD, 11.4.2014)