Wieder einmal ist im blauen Schmierentheater das Rührstück von der sauberen Partei, die in ihren Reihen nicht das kleinste Fuzelchen von Nationalsozialismus und/oder Rassismus duldet, über die Bühne gegangen. Der Vorhang ist vorübergehend zu, alle Fragen nach der Moral bleiben so offen, wie sie immer waren. So ungeniert, wie Strache in diesen Tagen den Heuchler in der Maske des handlungsfähigen Saubermanns hervorblitzen ließ, wird die Rolle in der Politik selten gegeben.

Besonders entsetzt" habe ihn der Alaba-Artikel des seltsamen Spitzenkandidaten - aber erst mit zwei Jahren Verspätung. Vermutlich kam ihm das Entsetzen erst, als er wenige Wochen vor der EU-Wahl feststellen musste, dass die Kronen Zeitung ihr ausländerfeindliches Geschäftsmodell insofern modifizierte, als sie bereit war, einen auflagenfördernden Ehren-Neger als echten Wiener auf der Titelseite zu präsentieren, was Mölzers Wahlkampfschlager deutlich relativierte. Die öffentlichen Proteste von Spitzenpolitikern bis hinauf zu einem Schriftsteller hatten ihn vorerst zu nicht mehr bewogen, als eine private Abschwächung, die der Konglomerator gnädig gewährte, als befriedigende Distanzierung vom Dritten Reich zu feiern. Mölzer habe sich entschuldigt, damit sei die Sache erledigt, hieß es zunächst.

Beleidigungen und Provokationen, wie sie Mölzer nun die Kandidatur kosteten, seien nicht tragbar, beteuerte Strache. Jetzt auf einmal? Mölzer, und mit ihm die Zeitschrift, die er - zur Schande der Republik auch schon mit Presseförderung - als Familienunternehmen betreibt, ist seit vielen Jahren für solche Beleidigungen und Provokationen gut, was Strache nicht abgehalten hat, ihn jahrelang als EU-Abgeordneten auftreten zu lassen und ihn neuerlich zu nominieren. Bis gestern hat Strache niemals nie einen Blick in Zur Zeit geworfen? Das wahre Wesen Andreas Mölzers hat sich ihm erst erschlossen, als er diesmal etwas sagte, was in gleicher oder ähnlicher Intensität abzusondern seit Jahren zu seinem öffentlichen und von ihm gepflegten Markenzeichen gehört?

Und ist nicht rührend, wie es die Kulturdeutschnationalen miteinander treiben? Die FPÖ habe Mölzer als Gegenleistung für seinen Rückzug weder Inserate für sein Blatt noch irgendwelche Jobs versprochen, die Geld bringen. So viel Anstand täte fast schon weh, tauchte nicht die quälende Frage auf: Wieso wird einer, der jahrzehntelang als Rassist und Verharmloser des Nationalsozialismus auftritt, nur von einer Kandidatenliste entfernt, auf die er unter sauberen Verhältnissen nie hätte kommen dürfen, und nicht, wie es doch eigentlich nur logisch wäre, wenn man den Nationalsozialismus verabscheut, nicht endlich aus der Partei ausgeschlossen? Und mit ihm alle vom selben geistigen Zuschnitt.

Dann freilich wäre die FPÖ genau jener Zerreißprobe ausgesetzt, die Strache mit seiner Scheinsäuberung zu vermeiden hofft. Keine Angst, auch ohne einen Mölzer im EU-Parlament bleibt die Partei, was sie ist, vielleicht mit modifiziertem Vokabular. So schreibt ihre Neue Freie Zeitung: "Die FPÖ thematisiert die Entchristianisierung Europas!" (Günter Traxler, DER STANDARD, 11.4.2014)