Zarif: Es braucht ein Abkommen, in dem die iranischen Rechte gewahrt und die internationalen Sorgen ausgeräumt werden.

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STANDARD: Was macht Sie so zuversichtlich, dass es zu einem Atomdeal kommt - wenn gleichzeitig immer betont wird, dass die beiden Seiten noch weit auseinander sind?

Zarif: Sehr einfach: Wir haben keine Atomwaffen und wollen keine; und deshalb glaube ich nicht, dass es so schwierig ist, eine Einigung zu erreichen, bei der einerseits die Rechte des Iran erhalten bleiben und andererseits die Sorgen vor iranischen Atomwaffen eliminiert werden. Ich bin davon überzeugt, dass der Genfer "Joint Plan of Actions" uns den nötigen Rahmen für ein Abkommen gibt. Harte und ernsthafte Arbeit, die auf einer realistischen Einstellung basiert, macht eine Einigung möglich. Dazu braucht es politischen Willen und Aufrichtigkeit - und den Abschied von maximalistischen Positionen. Wenn aber eine Seite die andere einzuschüchtern oder Treffer zu landen versucht, dann wird keine Seite gewinnen, und alles wird so sein wie früher.

STANDARD: Die Verhandlungen halten bei fast drei Monaten, der Halbzeit. Wann beginnt die Arbeit am Text des Endabkommens, das am 20. Juli fertig sein soll?

Zarif: Ich selbst habe das letzte Mal vorgeschlagen, dass wir im Mai an einem Entwurf zu arbeiten beginnen sollen. In den letzten drei Monaten hat jede Seite dargelegt, was ihrer Meinung nach enthalten sein sollte in einem Abkommen, wie es im Genfer Plan vorgesehen ist. Wir haben den Boden für einen Deal bereitet. Das Entwurfschreiben wird eine gemeinsame Übung sein - dass es kein gemeinsamer Chor sein wird, ist auch klar. Weder die iranische Seite noch die andere sollte mit einem fertigen Entwurf kommen und ihn einfach nur vorlegen. Jeder Beteiligte sollte in der Lage sein, das Papier als das eigene anzuerkennen. Natürlich besonders der Iran: Wir reden über unser Programm. Das ist sehr wichtig für das iranische Volk, vom Standpunkt der Würde, Gleichberechtigung und des gegenseitigen Respekts.

STANDARD: Sind Sie bei den einzelnen Problemen in dieser Runde weitergekommen, wie etwa, dass der Wunsch Irans, seinen eigenen Reaktorbrennstoff für Bushehr herzustellen, mit einer Beschränkung der Uran-Anreicherung auf unter fünf Prozent, wie sie die andere Seite will, unvereinbar ist?

Zarif: Das alles wird nur im Verhandlungsraum besprochen. Alle Seiten haben ihre Ansichten präsentiert, das, was sie für möglich halten. Der Teufel steckt natürlich im Detail. Wenn man an einem Entwurf zu schreiben beginnt, wird es vielleicht nicht leicht sein, ein Wording zu finden, das allen passt. Aber wir müssen den politischen Willen auftreiben, das zu Ende zu bringen. Wenn wir auf dem aufbauen, was wir schon diskutiert haben, ist das möglich. Unser Referenzrahmen ist der gemeinsame Aktionsplan von Genf. Als wir ihn verhandelt haben, haben wir klar gemacht, dass wir ein Ziel brauchen, das für beide Seiten gilt: dass der Iran ein Atomprogramm hat und dass dieses Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient.

STANDARD: Ein Deal wird auf alle Fälle Restriktionen für das iranische Atomprogramm bedeuten. Wie weit ist man denn in der Frage, wie lange, wie viele Jahre, diese gelten werden?

Zarif: Noch ist nichts ausgemacht. Was immer die Beschränkungen sein werden - oder reden wir lieber von Parametern -, sie werden im Einvernehmen definiert sein. Nicht alle Bereiche werden davon betroffen sein, zum Beispiel Forschung und Entwicklung: Die sind Teil der Wissenschaft, und es gibt keine Beschränkung des Denkens ...

STANDARD: Aber ein Staat kann beeinflussen, woran geforscht wird, indem er das eine Projekt finanziert und das andere eben nicht, zum Beispiel Forschung an Zentrifugen.

Zarif: Ich will das hier nicht verhandeln. Der Punkt ist: Was immer wir am Ende ausverhandeln, gilt für eine gewisse Zeitperiode. Danach wird das iranische Atomprogramm zu behandeln sein wie jedes andere eines Nicht-Atomwaffenstaats. Und wir wollen immer ein Nicht-Atomwaffenstaat bleiben und, in der Tat, unser Wunsch wäre, dass jeder Staat ein Nicht-Atomwaffenstaat wird. Wir glauben, dass Atomwaffen keine Sicherheit schaffen.

STANDARD: Zur Frage, was noch alles eine Einigung verhindern könnte: Wird das iranische Raketenprogramm diskutiert werden? Die Raketen stehen ja auch in Uno-Sicherheitsratsresolutionen.

Zarif: Verteidigungsangelegenheiten stehen nicht auf der Tagesordnung, das liegt nicht auf dem Tisch. Das Ziel der Diskussion ist festzustellen, dass der Iran keine Atomwaffen hat. Und wenn wir keine Atomwaffen haben, dann ist das wohl eine gute Garantie dafür, dass wir keine Atomwaffen einsetzen. Wenn das Atomprogramm ausschließlich zivil ist, heißt das, dass es nie atomare Sprengköpfe geben wird. Wir haben sie nie entwickelt und werden es nicht tun.

STANDARD: Also werden nicht Raketen, sondern Sprengköpfe thematisiert?

Zarif: Noch einmal, hier verhandle ich nicht. Themen der iranischen Verteidigung stehen nicht zur Diskussion. Es geht darum, dass der Iran kein Atomwaffenprogramm hat - und das ist bereits erreicht, denn wir haben keines und wollen keines.

STANDARD: Wie kommen Sie mit den Fragen weiter, die die Internationale Atomenergiebehörde zu möglichen militärischen Dimensionen des Programms in der Vergangenheit hat?

Zarif: Wir haben einen sehr produktiven Prozess mit der IAEA begonnen, bei dem wir sowohl die laufenden als auch die Fragen zur Vergangenheit besprechen. Wir bewegen uns dabei positiv und effektiv, um das Abkommen umzusetzen.

STANDARD: Der Iran hat früher immer umfassende Verhandlungen, über große Themenpakete, einen erweiterten Sicherheitsbegriff, verlangt. Wie ist es diesmal: Will Teheran nur die Atomfrage lösen oder seine Beziehungen zum Westen allgemein auf eine andere Basis stellen? Jeder denkt zum Beispiel an Syrien.

Zarif: Wir konzentrieren uns jetzt auf das extrem wichtige Atomthema: Das muss gelöst werden, bevor man an etwas anderes denkt. Beim allerersten Treffen mit den Verhandlern sagte ich: Wir müssen diese unnötige Krise beenden und neue Horizonte eröffnen. Ich glaube nicht, dass wir überambitioniert sein sollten. Wir können die Sache nicht noch komplizierter machen. Jede Sache zu ihrer Zeit. Aber wenn diese Sache vom Tisch ist, wenn der Vertrauensbildungsprozess in eine ernsthafte Phase geht, werden die Möglichkeiten offen stehen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 10.4.2014)