Fairtrade-Baumwollernte in Indien.

 

Foto: Fairtrade

So wird das neue Programm-Siegel für fair produzierte und gehandelte Baumwolle aussehen. Unter diesem Logo darf Fairtrade-Baumwolle auch mit Nicht-Fairtrade-Wolle gemischt werden.

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STANDARD: Wie geht das Geschäft?

Kirner: Ausgezeichnet. Wir haben vergangenes Jahr bei Fairtrade-Produkten ein Umsatzplus von 21 Prozent auf 130 Millionen Euro gesehen. Das war eigentlich überraschend gut.

STANDARD: Und das in Zeiten der Wirtschaftskrise?

Kirner: Man merkt schon, dass die Konsumenten-Akzeptanz gestiegen ist, eigentlich auch durch die Krise. Die Menschen denken mehr nach und finden, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Und natürlich gibt es auch immer mehr Firmen, die das Fairtrade-Angebot zur Verfügung stellen.

STANDARD: Wann kommt der Punkt, an dem es sich ein Unternehmen nicht mehr leisten kann, unsauber Produziertes anzubieten?

Kirner: Ich glaube, dass wir bei der Schokolade kurz davorstehen. Da sagen zumindest viele Unternehmen, dass sie eine Nachhaltigkeitsstrategie etablieren wollen. Auch im Baumwollbereich tut sich sehr viel. Aber hier ist es auch besonders schwierig, weil im Textilbereich so viele Aspekte zu berücksichtigen sind. Da wollen wir im kommenden Jahr ein neues Konzept einführen, wo wir uns auf der einen Seite nur auf die Baumwolle konzentrieren und die nachgelagerte Wertschöpfungskette rauslassen.

STANDARD: Ein Stilbruch.

Kirner: In dem Fall: ja. Aber es wird dafür auch ein neues Siegel geben: das Fairtrade-Programm-Siegel. Das volle Fairtrade-Gütesiegel wird es, beispielsweise für die EZA, weiter geben.

STANDARD: Warum ein zusätzliches Programm-Siegel?

Kirner: Man muss ganz ehrlich sagen: Das Fairtrade-System ist hier schnell an seine Grenzen gestoßen. Also schneiden wir die erste Scheibe runter und lösen den Baumwollbereich. Denn oftmals lässt es der Produktionsprozess oder die Fabriken von Unternehmen nicht zu, die geringe Menge an Fairtrade-Baumwolle separat zu verarbeiten, weshalb die Zahl der Unternehmen, die mit Fairtrade zusammenarbeiten, recht beschränkt blieb. Im Rahmen des Programm-Siegels, aber nur dort, wird künftig auch die Vermischung mit Nicht-Fairtrade-Baumwolle möglich.

STANDARD: Begibt sich Fairtrade damit nicht wieder in die Kritik, wonach nur Produzenten strenge Richtlinien erhalten, aber vieles rundherum – wie Saisonarbeiter – ausgeklammert wird?

Kirner: Genau da setzt Fairtrade an und hat mit Beginn dieses Jahres existenzsichernde Lohnniveaus für Beschäftigte in den Standards verankert als Bestandteil einer neuen Strategie für Arbeiterrechte. Das ist ein komplett revolutionäres Konzept, dass künftig die sogenannten Living Wages, also existenzsichernde Löhne, bezahlt werden müssen und nicht nur die staatlichen Mindestlöhne. Das werden wir auch nicht von heute auf morgen schaffen. Bei Saisonarbeitskräften ist es hingegen zugegebenermaßen viel schwieriger, übrigens auch bei uns im Marchfeld. Und das Zweite ist die Wertschöpfungskette bei Textilien: Da muss einfach das Unternehmen selbst Verantwortung tragen.

STANDARD: Die Aufweichung ist zum Teil jetzt schon ein Problem: wenn Textilketten Bio-Produkte anpreisen und dann nur 70 Prozent der Baumwolle Bio sind.

Kirner: Ich verstehe den Einwand, aber von Aufweichung kann man nicht sprechen, denn die Fairtrade-Standards für Kleinbauern ändern sich ja nicht im Rahmen des neuen Baumwollprogramms. Unser Motiv ist es, dass Baumwoll-Kooperativen derzeit nur einen Bruchteil der Ernte als faire Baumwolle absetzen können. Das ist inakzepabel. Wir müssen daher schauen, dass wir ein entsprechendes Volumen für Baumwolle generieren, um unsere Versprechen einhalten zu können. Für die Produzenten machen wir das, nicht für die großen Konzerne.

STANDARD: Trotzdem gelingt es hin und wieder, auch komplexe Produkte fairer zu machen. Jetzt gibt es zum Beispiel das Fairphone.

Kirner: Dafür hätten wir selbst nicht die nötige Kapazität. Wir müssen aber auch nicht alles selbst machen, wir haben ja keinen Monopolanspruch auf die Weltverbesserung. Ich finde es grundsätzlich super, dass es das Fairphone jetzt gibt, weil es Bewusstsein schafft, was besser gemacht werden kann.

STANDARD: Wie sind die ersten Erfahrungen mit den neuen Mitspracherechten der Produzenten im Fairtrade-System?

Kirner: Im Grunde ist das etwas, wohin Fairtrade hinausmuss. Es soll keine europäische Initiative sein, sondern ein globales Netzwerk, in dem die Menschen, für die das System da ist, auch eine Mitsprache haben. Wir sind ja keine Charity-Aktion; bei Fairtrade geht es grundsätzlich darum, dass man den Welthandel fairer macht. Und das geht ohne die betroffenen Menschen nicht. Einfacher wird es dadurch natürlich nicht.

STANDARD: Wo sind die heftigsten Reibepunkte?

Kirner: Man muss bei den Kooperativen sicher auch das Verständnis für den Markt erwecken: wie der Markt in Europa aufbereitet werden kann, welche Konsumentenwünsche es gibt, wie ein Siegel transparent kommuniziert werden kann. Und auf der anderen Seite haben wir selbst sicher auch wenig Ahnung, wo die Probleme in der Produktion liegen, wo es beispielsweise Klimaprobleme gibt.

STANDARD: Was waren im Vorjahr die Highlights?

Kirner: Frische Früchte waren mit einem Plus von 28 Prozent die Nummer eins. Eine große Überraschung war das neuerlich starke Zulegen der Bio-Bananen, aber auch die Orangen sind dazugekommen. Aber auch Süßwaren mit Eiscreme und Schokolade sind dazugekommen. Sogar Kaffee hat noch einmal um 15 Prozent zugelegt.

STANDARD: Schon wieder?

Kirner: Wir hatten noch kein einziges Jahr, in dem der Kaffee nicht gewachsen wäre.

STANDARD: Was kommt heuer?

Kirner: Frische früchte sind weiter ein großes Thema. Für mich ist die Nicht-Biobanane ein großes Thema. Derzeit ist praktisch jede Fairtrade-Banane in Österreich auch Bio. Es gibt aber auch riesige Mengen an konventionellen Fairtrade-Bananen, die keine Abnehmer finden. Also ist das Ziel, auch die konventionellen Bananen in Richtung fairen Handel zu bewegen.

STANDARD: Wäre es nicht sinnvoller, die Produzenten zu animieren, auf Bio umzustellen?

Kirner: Das geht zum Teil nicht. In Ecuador etwa, wo es eine hohe Luftfeuchtigkeit gibt, können die Produzenten ohne Fungizide nur sehr, sehr schwer arbeiten.

STANDARD: Und auf andere Produkte umzusteigen?

Kirner: Die Nachfrage nach konventionellen Bananen ist ja da. Es ist definitiv so, dass es derzeit zu wenige Bio-Bananen gibt. Gleichzeitig gibt es aber die Nachfrage nach konventionellen Bananen. Also sollten diese zumindest einmal fair produziert werden – in der Folge kann dann ja mit der Bioprämie ein Umstieg auf Bio ermöglicht werden. Und Fairtrade hat ja auch ökologische Standards, die zwar nicht gleich Bio sind, aber deutlich besser, als es sonst gemacht wird.

STANDARD: Wo können noch neue Schwerpunktte gesetzt werden?

Kirner: Abseits vom Lebensmittelhandel werden wir auch bei den Arbeitsplätzen einen Schwerpunkt setzen. Die Aktion wird "Fairtrade @work" heißen, und da läuft auch ein Wettbewerb für Betriebe, die im eigenen Unternehmen offensiv Fairtrade-Produkte anbieten. Begonnen haben wir auch mit Fairtrade-Schulen – ähnlich wie bei den Fairtrade-Gemeinden. Da geht es darum anzuerkennen, was bereits gemacht wird, und den Schulen auch zusätzliche Instrumente zur Aufklärung und Umstellung zur Verfügung zu stellen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 10.4.2014)