Straßburg - Der US-Geheimdienst NSA spioniert nach den Worten seines ehemaligen Mitarbeiters Edward Snowden gezielt Bürgerrechtler aus. Zudem gerieten eine Vielzahl unverdächtiger Bürger ins Schleppnetz des Geheimdienstes, weil sie bestimmte Webseiten aufriefen, sagte Snowden am Dienstag per Videokonferenz bei einer Sitzung des Europarats.

Bei seinem etwa 30-minütigen Auftritt betonte er erneut, dass der US-Geheimdienst NSA eng mit den deutschen Geheimdiensten zusammenarbeite. "Die NSA und Deutschland tauschen Daten hin und her", sagte Snowden. "Sie haben eine enge Partnerschaft." Es gebe legitime Gründe für eine Zusammenarbeit der Geheimdienste, aber es fehle eine rechtsstaatliche Kontrolle.

"Geheimnisverrat"

Snowden brachte den NSA-Skandal ins Rollen, als er geheime Unterlagen über die Arbeit des Nachrichtendienstes an Journalisten übergab. Er wird von den USA wegen Geheimnisverrats gesucht. Dem Europarat gehören 47 Mitgliedsländer an, darunter auch Russland. Dort hat Snowden vorläufig Asyl erhalten.

Mit Snowdens Auftritt ist dem Europarat ein kleiner Coup gelungen. Die Staatenorganisation steht normalerweise im Schatten der Europäischen Union. Doch im EU-Parlament kam es nur zu einer schriftlichen Befragung des Spionage-Enthüllers. Die Übertragung lief teils ruckelig, zu sehen war Snowdens Kopf vor einem dunklen Hintergrund.

Snowden erklärte, die NSA könne mit Hilfe ihrer Suchprogramme den Strom von Internetdaten gezielt durchkämmen. "Algorithmen werden genutzt, um Personen von Interesse zu identifizieren." Mithilfe von technischen Merkmalen werde eine Art digitaler "Fingerabdruck" erstellt. So könne die Kommunikation einzelner Menschen oder ganzer Gruppen erfasst werden, die den festgelegten Merkmalen entsprechen. Nach den Worten von Snowden werden so auch Internetnutzer erfasst, die lediglich eine bestimmte Webseite aufgerufen oder eine bestimmte Datei heruntergeladen hätten.

Bürgerrechtler seien ebenfalls Ziel von Ausspähungen. "Die NSA hat speziell die Kommunikation von Vorsitzenden oder Mitarbeitern einer Reihe von Bürgerrechts- oder Menschenrechtsgruppen ins Visier genommen", sagte Snowden.

Bei der Sitzung forderte der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Hansjörg Geiger, einen Verhaltenskodex. "Unter Freunden und Verbündeten in der NATO spioniert man nicht, das ist unanständig", sagte er. Es sollte geregelt werden, was zulässig und was verboten sei. Politische und wirtschaftliche Spionage sollte untersagt werden, und nur bei der Verbreitung von Atomwaffen, beim Kampf gegen Terrorismus oder gegen schwerste Straftaten sollte ein massiver Zugriff auf Datenströme gestattet werden. Zu Snowdens Aussage zum Datenaustausch äußerte Geiger sich nicht. (APA, 8.4.2014)