Vollgeld: Brauchen wir ein neues Bankensystem?

Eric Frey, Chef vom Dienst des STANDARD, und Publizist Christian Felber diskutierten mit den Usern

Foto: derStandard.at

Für Christian Felber bedeutet Geld eine zentrale Infrastruktur der Wirtschaft und Gesellschaft. Von daher sollte es zum öffentlichen Gut deklariert werden. Geld sollte nicht mehr von privaten Banken, sondern nur noch von der öffentlichen Zentralbank geschaffen und in Umlauf gebracht wird. Eine entsprechende Vollgeld-Reform wird seit Jahren rund um Professor Joseph Huber von der Universität Halle entwickelt und ist in der Schweiz bereits als Bürgerinitiative organisiert.

Eric Frey kann das Bemühen, das Bankensystem stabiler zu machen, nachvollziehen. Aber andere Vorteile sieht er im Vollgeld nicht - und warnt vor negativen Konsequenzen. Das jetzige Geldsystem ist bereits eine Mischung aus öffentlichem und privatem Gut, so wie vieles andere in der sozialen Marktwirtschaft.

Auf den nächsten Seiten können Sie jeweils sechs gegensätzliche Standpunkte von Frey und Felber nachlesen.

Felber

Geld kommt schuld- und zinsfrei in Umlauf. Neues Geld wird nicht von Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe "erschaffen" und auch nicht als primär als Kredit von der Zentralbank an die Geschäftsbanken ausgegeben, sondern von der Zentralbank direkt in den Staatshaushalt eingespeist, was den Abbau von Schulden, die Senkung von Steuern oder zusätzliche Staatsausgaben erlaubt. Über Staatsausgaben und die damit verbundenen Einnahmen von Privaten gelangt das Geld zu den Geschäftsbanken.

Frey

Wenn das geschöpfte Geld direkt in den Staatshaushalt fließt, macht man es der Politik zu leicht, Ausgaben zu erhöhen, ohne entsprechende Steuern einzuheben. Eine direkte unbegrenzte Staatsfinanzierung durch Notenbaken führt leicht zu einer hohen Inflation.

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Felber

Der Geldschöpfungsgewinn kommt der Allgemeinheit zugute. Derzeit streichen die Geschäftsbanken durch das Recht, Buchgeld zu erschaffen, einen Milliardengewinn ein. Im Vollgeld-Regime würden der Allgemeinhheit jährlich je Prozent BIP-Wachstum 1,5 Milliarden Euro Seigniorage zufließen.

Frey

Dass Banken Geldschöpfungsgewinne wie Notenbanken erzielen, ist einfach falsch. Sie verwandeln kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite (Fristentransformation), und das erlaubt es ihnen, auf Einlagen Zinsen zu bezahlen. Sie verdienen an der Zinsspanne, und die deckt auch Verwaltungskosten und Ausfallrisiko ab. Das ist legitim.

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Felber

Trennung von Geld und Kredit. Wenn die Geld- und Kreditinfrastruktur getrennt werden, erhöht sich die Systemstabilität. Das Geld auf Girokonten wäre ausfallsicher, weil die Girokonten aus den Bankbilanzen ausgegliedert würden. Bankenpaniken würden weniger wahrscheinlich. In die Bankbilanz gingen nur noch Sparanlagen ein, welche die Kredite finanzieren. Die Bank würden damit dem Bild entsprechen, das viele Menschen heute von Banken haben.

Frey

Bankenpaniken lassen sich auch durch Mindestreserven und die Einlagensicherung verhindern. Und beim Vollgeld könnten Banken keine Zinsen auf kurzfristige Einlagen mehr bezahlen. Sparer würden daher in den Kapitalmarkt flüchten, um sich vor Inflation zu schützen. Dadurch würde ein riesiges System von Schattenbanken entstehen. Dieses wäre schwieriger zu regulieren als unsere heutigen Geschäftsbanken und daher noch krisenanfälliger.

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Felber

Effektive Geldmengensteuerung. Da die Banken die Geldmenge nicht verändern können, erhält die Zentralbank die alleinige Steuerungshoheit über Geldmenge und, damit verbunden, teilweise auch über die (Finanz-)Inflation. Zur Verhinderung von Finanzblasen bedarf das Vollgeld allerdings einer ergänzenden Kreditsteuerung: Finanzkredite sollten vollständig verboten werden.

Frey

Wenn nur die Notenbank die Mittel für Unternehmenskredite zur Verfügung stellen kann, dann muss sie die Liquiditätssteuerung perfekt beherrschen. Aber es fehlen ihr dafür wichtige Informationen, die Banken etwa durch die Kreditnachfrage erhalten. Ohne dieses Feedback wird es wahrscheinlicher, dass die Steuerung danebengeht, also zu viel oder zu wenig Geld ins System kommt.

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Felber

Effektivere Konjunktursteuerung. In der Rezession kann die Zentralbank die Geldmenge stärker erhöhen, als die Wirtschaft wächst. Das wäre neben der kontrazyklischen Fiskalpolitik auch eine kontrazyklische Geldpolitik. Derzeit ist die Geldpolitik tendenziell prozyklisch bzw. bleiben die kontrazyklischen Interventionen ("Dicke Berta") wirkungslos, weil es keine verlässliche Übersetzung von Krediten der Zentralbank an die Geschäftsbanken in Kredite an die Realwirtschaft – und damit in nachfragewirksame Einkommen gibt. Fließt das Geld an den Staat, wird es sofort nachfragewirksam und lindert die Rezession und schützt vor Deflation.

Frey

Wenn Geld immer nur an den Staat fließt und der es an Unternehmen verteilt, dann gewinnt der Staat totale Kontrolle über die Wirtschaft. Das hat schon in der kommunistischen Planwirtschaft schlecht funktioniert. Wer sehen will, was Banken unter direktem Einfluss der Politik tun, muss nur zur Hypo nach Kärnten schauen.

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Felber

Hoher Umstellungsgewinn. Im Zuge der Umstellung werden zum einen die Sichteinlagen auf Geldkonten ausgelagert werden, was die Passivseiten der Bankbilanzen verkürzt. Die gegenüberstehenen Forderungen auf den Aktivseiten werden im Zuge der Tilgung offener Kredite an die Zentralbank "zurückgegeben" - so als hätte diese dieses Geld von Beginn an geschöpft. Dort steht am Ende dem ausgegebenen Buchgeld ein Kredit an den Staat gegenüber, der nicht rückzahlbar ist. Da die Giralgeldmenge in Österreich rund 80 Prozent der Staatsschulden ausmacht, könnte die Staatsschuld um diesen Anteil gesenkt werden.

Frey

Dieser Umstellungsgewinn wäre eine Massenenteignung aller Anleger und Sparer. Wenn man das will, soll man das so sagen, aber sich nicht hinter technischem Jargon verstecken.

(Claudia Natschläger, derStandard.at, 9.4.2014)