Krebs-Zahlen explodieren, Behandlung verbessert sich.

Foto: http://deutsch.istockphoto.com/wildpixel

Eigentlich ist es eine positive Nachricht. Die Krebsmedizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Einige Formen der Erkrankung können geheilt, andere zumindest in chronische Leiden umgewandelt werden.

Dieser Umstand ist zum einen dem medizinischen Fortschritt zu verdanken, andererseits aber auch den Früherkennungsmaßnahmen, die Erkrankungen im gut therapierbaren Frühstadium entdecken lässt. Deshalb und trotzdem steigen die Patientenzahlen: Die Bevölkerung in Europa wird immer älter, Krebs als Erkrankung des Alters nimmt damit automatisch zu.

Fakten schaffen

"Wir wollen schon heute die Weichen stellen, damit wir die Patienten auch in Zukunft gut versorgen können", sagt Hellmut Samonigg, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin der Med-Uni Graz und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Deshalb hat man eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, mit welchen Patientenzahlen bis 2020 zu rechnen ist, wie die Versorgung sichergestellt werden kann und wie viele Fachärzte dafür benötigt werden.

Die Datenerhebung war durchaus herausfordernd. "Um Szenarien für das Jahr 2020 prognostizieren zu können, haben wir uns zwar an einem deutschen Vorbild orientiert, mussten aber aufgrund der unterschiedlichen Strukturen in den Gesundheitssystemen eigene Wege gehen," sagt Studienleiter Bernhard Güntert von der Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, medizinische Informatik und Technik (UMIT) in Hall in Tirol.

Paradoxe Dynamik

Die wichtigsten Ergebnisse: Die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, nimmt seit dem Jahr 2000 innerhalb fast aller Altersgruppen signifikant ab. Die Inzidenzrate (Zahl der Neuerkrankungen) ist von 465,3 Personen pro 100.000 Einwohner auf 461,7 im Jahr 2010. 2020 wird die Rate auf 451 gefallen sein.

Dennoch steigt für Krebserkrankungen die Prävalenz (Zahl der Menschen, die mit Krebs leben) bis zum Jahr 2020 zwischen 60 und 80 Prozent ansteigen. Jeder dritte Österreicher erkrankt im Laufe seines Lebens an einer onkologischen Krankheit. 2010 lebten 305.000 Menschen mit der Diagnose, 2020 werden es laut Hochrechnung 390.000 sein.

Was das für die Versorgung bedeutet? Das Land braucht mehr Onkologen. 2012 gab es 350 Fachärzte für Onkologie und Hämatologie, bis 2020 werden zwischen 450 und 490 benötigt werden. "Diesem Mehrbedarf stehen die immer knapperen Ressourcen gegenüber," sagt Güntert.

Samonigg will an der Facharztausbildung schrauben, sie von derzeit acht Jahren auf sechs reduzieren. Was er dabei betont: "Kommunikation, also das Gespräch mit Patienten, muss ein viel zentraleres Thema als bisher in der Ausbildung sein."

Zukunft ist ambulant

Samonigg und Güntert unterstrichen auch die wichtige Rolle der Prävention: "Unsere Rauchergesetze sind in Österreich eine Katastrophe", sagt Samonigg, da gäbe es eine direkte Korrelation zu den Neuerkrankungen.

Wie bisher werden Patienten auch weiterhin in onkologischen Zentren versorgt werden, zunehmend im tagesklinischen Betrieb. Das heißt: Patienten kommen zur Behandlung und Symptomkontrolle in die Spitalsambulanz - und nur bei Problemen auf die Station. "Krebsmedizin wird zunehmend spezialisierter, wir müssen Expertise in onkologischen Zentren sammeln", so Samonigg.

In seiner Funktion als Präsident der Gesellschaft für Onkologie und Hämatologie hat er dem Bundesministerium für Gesundheit die Studie über die Entwicklungen in der Krebsmedizin übergeben. Die Weichen für Veränderungen müssen von der Politik gestellt werden.  (Karin Pollack, derStandard.at, 8.4.2014)