Saisonfarbe ist Goldgelb. Ginster, großer Fenchel, Mimose und Kronenmargerite blühen – gleichzeitig. Der große Fenchel und die Mimose fallen dem Besucher als Erste auf, denn sie säumen auf Zypern Leitplanken und Mittelstreifen jeder Autobahn. An etwas dunstigeren Tagen hat sogar der Himmel einen gelben Stich.
So sonnengelb wird die Vegetation der Mittelmeerinsel in diesem Jahr aber nimmer – das ist ein Vorzug der Vorsaison. Ab Juli ist allein die Sonne gelb, es beginnt die Hauptsaison, und die Hotels mit ihren 85.000 Betten, besonders an den Stränden um Paphos, Ayia Napa und Protaras, füllen sich.
Ein Experiment, Pauschal- mit Agrotourismus zu verbinden
In den sogenannten Cyprus Villages will man – auch während der Hauptsaison – eine Alternative zu vollen Stränden anbieten. Dort wagt man das Experiment, Pauschal- mit Agrotourismus zu verbinden; dort wohnen Gäste in traditionellen zypriotischen Häusern der Dörfer Tochni und Kalavasos; und dort trifft Dorfgemeinschaft auf Reisegruppen. Sofronis Potamitis, der Gründer der Cyprus Villages, demonstriert exemplarisch, wie er sich das vorstellt.
Mit einem Schweizer Taschenmesser in der Hand springt der Zypriote aus seinem Auto. Köpft vier Artischocken aus einem Feld und streckt sie einer Reisegruppe entgegen. Die bewundert das symmetrische Mandala der Artischockenköpfe und fotografiert. Nur wenige folgen seiner Aufforderung, doch ebenfalls zu ernten.
Ärmel hoch im Orangenhain
Ähnliches wiederholt sich in Yayas Zitrushain. Das Großmütterchen mit geblümtem Kopftuch und Kochschürze, Zahnlücken und ledriger Haut posiert mit freundlichem Lächeln beim Pflücken von Orangen, Zitronen und Grapefruits für die Kameras.
Obwohl im Prospekt gerade das Mithelfen bei der Obsternte als besonderes Erlebnis angepriesen wird, ärgert sich Sofronis nicht über den zu vernachlässigenden Ertrag, den die Touristen einfahren.
Vergleichbare "Erlebnisse" verspricht Sofronis bei der Halloumi- oder Olivenölproduktion. "Der Profit bleibt jedenfalls in der Community, mit der Touristen ihren Urlaub verbringen", sagt er. Ob die Gäste nun tatsächlich die Ärmel hochkrempeln oder nur den Bezug zwischen Erzeugern und Sofronis Restaurant erfahren – beides geht als Agrotourismus durch. Für die Bauern und Nahversorger der Region war die Initiative bisher ein Gewinn.
Yoga, Wellness und Mietautos gehören zur anderen Seite dieses "Pauschalagrotourismus". Vorbereitetes Frühstück und Abendessen sowie Zimmerservice auch. Das Mittagessen besteht im besten Fall aus Selbstgepflücktem. Kulinarische Hilfestellung bei der Zubereitung gibt es vom Gastgeber.
Speisen aus der Vergangenheit
Urzypriotische Speisen wie Lamm mit Blättern vom Johannisbrotbaum sind besonders unter den Touristen wieder gefragter. Deshalb unterstützt die Fremdenverkehrszentrale Zypern ein Projekt von Köchin Marilena Ioannidou, die seit rund zehn Jahren die Zusammensetzung traditioneller Speisen recherchiert und deren Rezepte in Kochpräsentationen verbreitet. Marilena hat die Vision, ein lebendiges Museum zu errichten, in dem Gerichte aus der Vergangenheit nachgekocht und gekostet werden können.
Obwohl die Geschichte des europäischen Weines um 550 vor Christus in Zypern begonnen haben soll, hatten die traditionell eher süßen Weine zuletzt einen schlechten Ruf. Die Winzerei Tsiakkas traut sich seit zehn Jahren, heimische Sorten wie Xynisteri oder Commandaria wieder zu produzieren. Als Tsiakkas’ Merlot und Chardonnay internationale Preise gewannen, gab die Reputation Spielraum zum Anbauen und Verfeinern der zypriotischen Sorten. Heute ist die Nachfrage größer als die Ernte, und in fünf Jahren, hofft deren Winzer, ist der gute Ruf von vor 2500 Jahren wiederhergestellt.
Ausflüge:
Das Bergdorf Lefkara hat es zu großem Ruhm gebracht. Die Stickkunst "Lefkaritikos" gehört seit 2009 zum Weltkulturerbe und das wahrscheinlich auch, weil Leonardo da Vinci 1481 einmal eine bestickte Tischdecke in Lefkara gekauft haben soll. Seither wird ein bestimmtes Muster "Da Vinci" genannt und wird neben Silberschmuck an vielen Straßenecken als Souvenir angeboten.
Obwohl das Geschäft mit der sogenannten Hohlsaumstickerei gut geht, wird die Stickkunst nur noch wenige Jahre das Straßenbild – die Stickerinnen sitzen für gewöhnlich draußen vor ihrem Geschäft – bestimmen. Der Grund: Elena und ihre Schwester Georgia (Video) gehören zu den jüngsten unter den Handwerkerinnen. Sie haben ihre Töchter nicht mehr anlernen können. Die Jungen wollen in die Stadt oder einem moderneren Beruf nachgehen.
Der Strand Petra tou Romiou mit dem Aphrodite-Felsen. Dort soll die Göttin aus dem Meer entstiegen sein.
Die Strandliegen und Hotelbetten in den touristischen Umgebungen Nissi Beach, Aiya Napa oder Pafos werden in der Hauptsaison besonders von Russen und Engländern belegt sein.
Die Halbinsel Akamas, deren Naturschutzgebiet eine Wanderung wert ist, umrundet man nur mit Allradantrieb.
Eine Kirche in Pelendri hoch in den Troodos-Bergen mit byzantinischen Fresken und Schnitzereien.
Der Kaffeesatz der Autorin. Tipp: Griechischen Kaffee, wie er auch auf Zypern getrunken wird, besser "metrio" bestellen, sonst kommt er picksüß.
Im Vergleich zu manchen griechischen Urlaubsgebieten finden sich zwischen den Hotelanlagen zypriotischer Küsten für gewöhnlich Lücken für Wildwuchs: Mimosen, Voukamvillias und Pinien dekorieren die Landschaft. (Maria von Usslar, derStandard.at, 10.6.2014)