Die Wahlen in Ungarn fielen praktisch mit dem Auftakt des Intensivwahlkampfs für die Europawahlen von 22. bis 25. Mai zusammen. Nächste Woche tritt das Plenum des EU-Parlaments in Straßburg zum letzten Mal zusammen, ab dann wird auch die EU-Kommission eine "lame duck" - politisch eine lahme Ente - sein: bis zur allgemeinen Neukonstituierung der wichtigsten EU-Institutionen und Postenbesetzungen bis Oktober.

Dementsprechend fielen die Reaktionen auf das Wahlergebnis in Budapest aus: Die Parteifreunde des Fidesz-Premiers Viktor Orbán in der Europäischen Volkspartei (EVP) jubelten ohne Einschränkungen über dessen "beeindruckenden Wahlsieg", der das Vertrauen der Bevölkerung in Orbán und seine Regierung zeige; unter anderem weil er ihnen "immer die Wahrheit gesagt und mutige Reformen gemacht" habe.

Im Gegenzug betonten Sozialdemokraten, Liberale und Grüne die Probleme, die es mit Orbán wegen der Verletzung von EU-Recht seit Jahren gibt: SP-Fraktionschef Hannes Swoboda erklärte, wie groß auch die Mehrheit Orbáns im Parlament sei, "es enthebt ihn nicht der Verantwortung, EU-Recht und EU-Grundrechte zu respektieren". Er zeigte sich zudem irritiert über den Erfolg der rechtsextremen Jobbik-Partei, was Indiz dafür sei, dass Orbáns Politik "das erschreckende Klima des Hasses" eher begünstige. Die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms sagte, das "unfaire Wahlsystem zementiert Orbáns düsteren Nationalismus ein". Den Einzug ihrer Parteifreunde ins Budapester Parlament bezeichnete EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek als Lichtblick. Sie zeigte sich jedoch entsetzt über den Erfolg Jobbiks.

Während der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel die ungarische Regierung zu "Augenmaß, Zurückhaltung und Sensibilität" aufforderte und betonte, dass kein Platz für Antisemitismus und Roma-Feindlichkeit sei, hielt sich die EU-Kommission knapp: Präsident José Manuel Barroso gratulierte Orbán noch in der Nacht auf Montag ohne Einschränkung. Justizkommissarin Viviane Reding, die Orbán vor den EuGH brachte, ist wegen des EU-Wahlkampfs derzeit karenziert. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 8.4.2014)