Brutstätte konspirativer Gedanken zur Umwälzung der Verhältnisse: eine der Hütten aus der James- Benning-Schau "Decoding Fear". 

Foto:UMJ / N. Lackner

Graz - Zwei Hütten, ganz in Weiß, darin kleinen Kapellen nicht unähnlich, gehören zu den markantesten Objekten in der Ausstellung Decoding Fear im Kunsthaus Graz. Für den Besucher stehen die schmucklosen, leeren Bauten offen, durch die Fenster gewinnt man jedoch nur Teilansichten auf den Rest der Schau. Die Hütten verstehen sich mehr als nach innen gerichtete Projektionsfläche: Sie verweisen auf eigenwillige, schwindelerregende Gedankengebäude, mit denen sich der US-Filmemacher James Benning seit einiger Zeit intensiv beschäftigt.

Eines davon steht beispielsweise für Ted Kaczynski, jenen Mann, der nach langjähriger Suche als der sogenannte "Unabomber" identifiziert wurde. Kaczynski zog sich als Einsiedler in die Wälder von Montana zurück, wo er manisch an seinen Thesen über eine übertechnologisierte Gesellschaft gegrübelt hat. Benning nimmt diese Paranoia als Ausdruck eines entfesselten Anarchismus ernst und verleiht ihr eine historische Dimension. Schon Henry David Thoreau war bekanntlich Mitte des 19. Jahrhunderts zu der Auffassung gelangt, dass die Erneuerung seines Landes nur aus einer radikalen Abkehr und Askese heraus gelingen könne.

Bennings Auseinandersetzung mit diesen konträren, miteinander korrespondierenden "wilden Denkern" bildet das Herzstück der ersten größeren Schau des US-Künstlers in Österreich. So ist etwa eine installative Variante seiner Filmarbeit Two Cabins zu sehen, in der man in zwei einander ergänzenden Projektionen Blicke aus ebendiesen Hütten werfen kann - der Filmemacher hat sie auf seinem Grundstück nachgebaut und trägt selbst aus Kaczynskis detailversessenen Tagebüchern vor, die an anderer Stelle auch als Faksimile zu lesen sind.

Zu einem gewissen Grad handelt es sich dabei um einen Akt der ambivalenten Aneignung: Im Einsiedlertum dieses Sonderlings, seiner Hinwendung zur Natur, dem Faible für mathematische Aufschlüsselungen findet Benning Parallelen zur eigenen Vorgangsweise. Alle seine Filme sind entlang präziser struktureller Muster gebaut. Und die amerikanischen Landschaften, die er mit geduldigem Auge vermisst, erzählen genauso von einer verlorenen romantischen Übereinkunft, wie sie auch von Eingriffen und Verwerfungen der Menschen künden.

Bennings Filmarbeiten sind allerdings an eine Wahrnehmung geknüpft, der die Ausstellung nur bedingt entgegenkommt. Einzig Stemple Pass ist in einer eigenen Kabine zu sehen, der noch auf 16-mm gedrehte RR - ein Film rund um fahrende Eisenbahnen - wird offen in den Museumsraum projiziert, was allenfalls ein zerstreutes Zuschauen ermöglicht.

Decoding Fear umgeht damit den privilegierten Blick auf Bennings Werk zugunsten eines Parcours, der Zusammenhänge aufzeigen, sein Portfolio um andere Objekte erweitern will. Dies bleibt ein zwiespältiges Unterfangen, da die räumliche Anordnung der Zeitlichkeit der Arbeiten zuwiderläuft - und ohne die Dauer bleibt ein essenzieller Zug von Bennings Arbeit verstellt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 7.4.2014)