Forsythes "Yes we can't" im Tanzquartier Wien.

Foto: Dominik Mentzos

Wien - Ein buntes Völkchen läuft auf die Bühne: 17 Männer und Frauen, lustig kostümiert und bestens aufgelegt, schmettern nacheinander in drei Mikrofone, was die Stimmen halten. Andeutungsweise werden Arien persifliert, während der Pianist David Morrow in die Tasten haut. Yes we can't ist der Titel einer gnadenlos komischen Abrechnung mit der Mittelmäßigkeit, die der große William Forsythe mit seiner Tanzcompany am Wochenende im Tanzquartier Wien (Museumsquartier Halle E) gezeigt hat.

Keine einfache Aufgabe, denn Forsythes Truppe - heute mit Sitz in Dresden und Frankfurt am Main - ist der Inbegriff eines brillanten, experimentellen Balletts und als solches bis heute unübertroffen. Ohne eine beachtliche Portion Selbstironie hätte diese Formation es wohl nicht geschafft, so weit in die Wüsten der Peinlichkeit vorzudringen, wie das bei Yes we can't gelungen ist.

Zerstörerische Kraft

Dort entwickelt das Lustige, wenn es penetrant bis zum Äußersten getrieben wird, eine zerstörerische Kraft. Deren Energie lassen die Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne konsequent anwachsen: die Macht des schlechten Witzes, der auftrumpfenden Geschmacksverirrung, der Übertreibung als Kompensation von Unfähigkeit und der Lächerlichkeit im Kleid des Heroischen. Diese Regentschaft des Scheiterns, so zeigt das Stück, ist aufgrund seiner lautstarken Selbstbehauptung so lange zum Sieg verurteilt, bis ihr Reich kollabiert.

Dementsprechend werden in dieser Show einige der größten Brocken aufs Korn genommen, die ein zu Institutionen geronnenes Mittelmaß täglich auf uns loslässt. Die Politik natürlich, und hier sowohl die einstige Hoffnung Barack Obama als auch der Sotschi-Putinismus in Russland. Und, eben- so deutlich, die Unterhaltungsindustrie - mit besonderem Augenmerk auf den Filmstar Penelope Cruz - beziehungsweise die Repräsentationskultur überhaupt und deren Verehrung von virtuosem Blendwerk.

Durch den Kakao gezogen

Durch den Kakao gezogen finden sich der Sachzwang zu Statussymbolen wie der exklusiven Kreditkarte, aber auch das Eingeständnis, dass die Company selbst in der eigenen, prestigeträchtigen Show gescheitert sei und sich dafür entschuldigen wolle. Das ist eine der ganz besonderen Metaphern in Yes we can't: die Darstellung des Versagens, der vorgeblichen Reue und des darauf folgenden Weitermachens wie zuvor.

Mit viel Gefühl steuert William Forsythe seine Tänzer durch eineinhalb Stunden, in denen kalkulierte Kurzweil und Langeweile einander in einer ausgeklügelten Dramaturgie ablösen. Das Publikum wird mit seinen Erwartungen, deren Übererfüllung und dann Enttäuschung so konfrontiert, dass dieses Wechselbad selbst für geeichte Zuschauer spürbar wird.

Da stolpern und winseln einige Tänzer, während andere zugleich faszinierend perfekte Soli hinlegen, und wahre Schenkelklopfer rinnen in Ödnisse aus, die dann doch wieder halbherzig aufgefangen werden.

Yes we can't ist kein optimistisches oder auch nur zuversichtliches Stück. Zugleich hält sich William Forsythe auch nicht mit dunkler Pessimismusromantik auf. Mögliches Fazit: Ja, wir können's nicht. Aber vielleicht hilft es ja, wenn wir - was bleibt auch anderes übrig - weiter unverdrossen üben. Das Wiener Publikum jedenfalls schien sich in diesem Witz wiederzufinden und reagierte mit kräftigem Applaus. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 7.4.2014)