Minister Mitterlehner hofft auf Mäzenen und Stifter nach amerikanischem Vorbild.

Foto: BMWFW/Lusser

Es sind alarmierende Signale, die aus der österreichischen Wissenschaftsszene an die Öffentlichkeit dringen. Selbst wenn Minister Reinhold Mitterlehner, wie kolportiert, seine Forderungen weitgehend durchsetzen konnte, erfüllt Österreich im Wissenschaftsbereich lediglich ein "Pflichtprogramm" - das Ziel, bis 2020 die Universitätsausgaben auf zwei Prozent des BIP zu steigern (derzeit 1,4 Prozent), ist damit in noch weitere Ferne gerückt.

Die aktuelle Misere hat eine längere Vorgeschichte, die auch die Trägheit österreichischer Politik in einer sich immer schneller wandelnden Welt demonstriert. Die Öffnung des Wissenschaftssystems in der Ära Kreisky ist eine historische Leistung österreichischer Bildungspolitik, doch noch Jahrzehnte später blieb die heimische Wissenschaftspolitik in ein Korsett dogmatischer Vorgaben eingezwängt, die längst nicht mehr dem Stand der internationalen Entwicklung entsprachen. Um die Jahrtausendwende war ich im Rahmen eines längeren Gastaufenthalts an der University of Toronto. Österreich folgte damals noch ganz der Kreisky-Doktrin: Gebührenfreiheit, freier Zugang, und ausschließlich staatliche Finanzierung waren die Grundpfeiler heimischer Politik; entsprechend begrenzt waren die finanziellen Ressourcen.

In Kanada dagegen sah man die Dinge pragmatisch: Die University of Toronto bezog eine staatliche Grundförderung, dazu kamen Studiengebühren und ein hochentwickeltes System privaten Sponsorings - ein Absolvent der Universität hatte seiner Alma Mater gerade ein ganzes Theater hingestellt. Als Folge dieser breiten Erschließung von Mitteln war die Universität finanziell solide und international konkurrenzfähig aufgestellt; der letzte Nobelpreis der Uni datiert aus dem Jahr 2007.

Ernüchternder Blick

Ein Blick auf Österreich ernüchtert. Sieht man von Martin Karplus ab, der mehr oder minder zufällig seine österreichische Staatsbürgerschaft behielt, dann liegen die letzten wissenschaftlichen Nobelpreise vier Jahrzehnte zurück (Deutschland hatte seither 24 Nobelpreisträger aufzuweisen, die Schweiz acht); keine der heimischen Universitäten schaffte es im aktuellen Ranking unter die Top 100. Aber Wissenschaft zählt nicht zu den Topprioritäten österreichischer Regierungspolitik. Seit Jahrzehnten wird das Wissenschaftsbudget von Jahr zu Jahr zusammengekratzt. Auch alternative Geldquellen sind nicht in Sicht; bis heute ist die österreichische Politik nicht einmal in der Lage, den Anteil ausländischer Studenten - eine wesentliche Geldquelle vieler Universitäten des angelsächsischen Systems - kostenneutral zu gestalten.

Österreich, so Karl Heinz Gruber in der Zeit, "verschenkt an alle Welt Universitätsabschlüsse, die anderswo oft unerschwinglich teuer sind". Doch das System ist hochkonsensuell, selbst die üblichen Verdächtigen halten sich mit Kritik zurück. Vor Jahren hatte der freiheitliche Wissenschaftssprecher Martin Graf sogar die Abschaffung der Studienbeschränkungen für das durchaus teure Medizinstudium gefordert, auch um den Preis einer weiteren Öffnung des Systems für ausländische Studierende. An den im internationalen Vergleich äußerst niedrigen Gebühren freilich sollte sich nichts ändern. Kosten? Egal. Irgendwer wird's schon zahlen.

Wer schon an dieser Finanzierungsfront dermaßen dilettiert, der versagt folgerichtig auch in anderen Bereichen. Nun wird der verstärkte Einsatz privater Mittel im Wissenschaftssystem diskutiert. Die Debatte ist hochaktuell - seit etwa eineinhalb Jahrzehnten umwirbt die Republik die Inhaber großer Vermögen, doch diese bringen sich nicht ein. Kurt Kotrschal hatte vor zehn Jahren für die Wissenschaften (inklusive Umweltschutz) einen Anteil von gerade einmal fünf Prozent am Gesamtsponsorvolumen errechnet (Sport 30 Prozent, Kunst 22 Prozent). Daran dürfte sich bis heute wenig geändert haben - nach wie vor liegt der private Anteil im Hochschulsektor bei mageren elf Prozent (EU 22, OECD 31 Prozent).

Durchaus folgerichtig hofft Minister Mitterlehner daher auf Mäzenen und Stifter nach amerikanischem Vorbild. Tatsächlich zeigt ein Blick auf erfolgreichere Wissenschaftsnationen, dass hier eine Chance auch für die unterfinanzierten Geisteswissenschaften liegt, denn die großen industriellen Forschungsstiftungen (etwa Getty und Guggenheim in den USA, Thyssen und Gerda Henkel in Deutschland) sind gerade hier sehr aktiv. Was man von Mitterlehner allerdings nicht erfährt, ist, dass seine eigene Partei den Stiftungsgedanken durch die Einführung der Privatstiftung völlig ausgehöhlt hat. Wer hierzulande über Geld verfügt, der hat - anders als in Deutschland - alternativ immer noch die Möglichkeit, schlicht und einfach sich selbst zu fördern.

Funktionierendes System

Private Sponsoren sehen es in der Regel auch nicht als ihre Aufgabe an, dort die Geldbörse zu zücken, wo der Staat seine Aufgaben vernachlässigt. Ihr Engagement setzt ein gut funktionierendes Wissenschaftssystem voraus, in dem privater Mitteleinsatz die Sichtbarkeit herausragender Leistungen erhöht. Will man hier attraktiver werden, dann bedarf es einer staatlichen Investitionsoffensive, die überhaupt erst die internationale Konkurrenzfähigkeit garantiert - doch eine solche Initiative ist nicht in Sicht.

2012 hatte der Wissenschaftsfonds FWF 196 Millionen Euro zur Verfügung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) konnte Förderungen im Umfang von 2,52 Milliarden vergeben. Während die deutsche Bundesregierung für die DFG allerdings fixe Steigerungsraten von jährlich fünf Prozent eingeplant hat, wird das Budget des FWF selbst bei Erfüllung der Forderungen von Minister Mitterlehner um zehn Prozent jährlich sinken.

Friedrich I. in Preußen hatte noch vergleichsweise geringe Probleme, private Investoren zu motivieren; das neuzeitliche Berlin wurde nach dem Motto "Der Kerl hat Geld, soll bauen" errichtet. Doch privater Einsatz lässt sich heute nicht mehr dekretieren, und private Mittel dienen bestenfalls als Multiplikator. Schafft die Politik nicht endlich die nötigen Rahmenbedingungen, dann wird auch der engagierteste Philanthrop das Ruder nicht herumreißen können. (Christoph Landerer, DER STANDARD, 7.4.2014)