Die Innenministerin hat einen "Migrationsrat" eingesetzt, der eine "Gesamtstrategie" für die Zuwanderung nach Österreich ausarbeiten soll. Die Grünen haben mit sarkastischem Unterton diese Maßnahme begrüßt, "wenn die ÖVP nach 13 Jahren Ressortführung begriffen hat, dass sie bei der Migration bisher ohne Gesamtstrategie gehandelt hat".

Nicht nur die ÖVP, sondern Österreich insgesamt hat in dieser Frage seit Jahrzehnten keine Gesamtstrategie. In den späten 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts holte man "Gastarbeiter" aus Ländern mit niedrigem Lohnniveau, zuerst meist aus dem damaligen Jugoslawien, dann aus der Türkei. Man ging von der Fiktion aus, die würden nach einer gewissen Zeit wieder heimgehen. Sie blieben aber, wurden sesshaft, gründeten Familien oder holten sie aus der Heimat, und inzwischen ist die dritte Generation hier.

In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts stellte die damals regierende große Koalition erschrocken fest, dass die vielen "Ausländer" Abwehrreaktionen bei der heimischen Bevölkerung hervorriefen, was der rechtspopulistische Demagoge der FPÖ, Jörg Haider, geschickt in Wahlerfolge umsetzte - mit tiefen Einbrüchen in die Arbeiter- und Pensionisten-Stammklientel der SPÖ.

Es folgte der Versuch, mit immer schärferen "Ausländergesetzen" und informeller Schikanierung diese Zuwanderung abzubremsen, was teilweise erfolgreich war. Da die Migranten aber eine höhere Geburtenrate haben, blieb dieser "Erfolg" begrenzt. In Wien lag laut Rechnungshof der Anteil der Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch im Schuljahr 2010/2011 mit etwa 50 Prozent weit über dem österreichweiten Anteilswert (22,1 Prozent). Der RH stellte auch fest, dass diese Schüler schlechtere Ergebnisse aufwiesen. Insgesamt zeigen diverse Untersuchungen, dass sich die Großgruppen der Zuwanderer ursprünglich aus Menschen mit geringerem Bildungs- und Ausbildungsstand zusammensetzten, die nächsten Generationen aber einen nur relativ bescheidenen Aufstieg schafften. Das liegt zum Teil an der Diskriminierung von Zuwanderern, die zu einem hohen Prozentsatz unter ihrer Qualifikation arbeiten, zum Teil aber auch an dem bildungsfernen Milieu, in dem die Jungen aufgewachsen sind.

Eine "Gesamtstrategie" der Zuwanderung müsste wohl darin bestehen, einerseits gezielt qualifizierte Personen anzuziehen (statt sie wie bisher, oft durch verdeckten Rassismus der Behörden, abzuschrecken); Kanada, relativ gesehen der größte Zuwandererstaat der Welt, hat hier eine Vorbildwirkung. Bei 34 Millionen Einwohnern nimmt das Land jährlich rund 250.000 Zuwanderer auf, die allerdings nach einem ausgeklügelten Punktesystem ausgewählt werden (schon im Heimatland). Wer hereingelassen wurde, bekommt bald die Staatsbürgerschaft. Das System ist so detailliert, dass nur Personen mit Erfahrung in einem von 29 bestimmten Berufen zugelassen werden.

Es ist einiges an Konzeptarbeit zu leisten. Allerdings wäre interessant, ob auch Ministerin Mikl-Leitl eine Vorstellung hat oder ob sie sich nur auf den Beirat verlässt. (HANS RAUSCHER, DER STANDARD, 5.4.2014)