Die Folgen des Krieges: zerstörte jüdische Siedlung in Galizien 1914.

Foto: Österreichisches Staatsarchiv

Wien - Im Jüdischen Museum Wien stößt man natürlich auf Plakate, die man auch im Prunksaal der Nationalbibliothek (An Meine Völker!) oder auf der Schallaburg (Jubel & Elend) nicht nur als Faksimile, sondern im Original sehen kann. Auch ein paar Themen werden da wie dort ziemlich ähnlich abgehandelt, etwa die Kriegsinvaliden. Kurator Marcus G. Patka schafft mit der Ausstellung Weltuntergang. Jüdisches Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg dennoch eine notwendige und fein zusammengestellte Ergänzung.

Anders als es der Titel vermuten lässt, fasst man die zu erzählende Zeitspanne, also die Jahre 1914 bis 1918, viel weiter. Sieht man von einer Ergänzung über die Situation der Juden im Bundesheer der Zweiten Republik ab, bildet Palästina den Ausgangs- und Endpunkt: Die Schau spannt den Bogen vom Besuch Kaiser Franz Josephs in Jerusalem 1869 bis zur Gründung des Staates Israel 1948.

Wie auch auf der Schallaburg wird zunächst die Stimmung um 1900 skizziert. Die Juden des Habsburgerreichs waren gleichgestellt, sie übten ihre Religion ohne Einschränkungen aus, viele assimilierten sich. Der seit 1848 regierende Kaiser, der Antisemitismus verabscheute und Rechtssicherheit garantierte, war in der jüdischen Bevölkerung sehr beliebt. Kein Wunder daher, dass 300.000 patriotische Juden mit Begeisterung für Kaiser und Vaterland in den Krieg zogen. Die Ernüchterung folgte bald, der Krieg zeigte seine "Fratze". Neben einem Musterkoffer für Prothesenverkäufer, der an ein makabres Kinderspielzeug erinnert, ist auch ein Zyklus apokalyptischer Visionen von Uriel Birnbaum ausgestellt: Buntstiftzeichnungen aus den Schützengräben an der Ostfront 1916.

Ein Schwerpunkt liegt auf den Zerstörungen in Galizien, der damals größten jüdischen Lebenswelt. Nach Kriegsende kam es hier zu den ersten antisemitischen Pogromen. Die Flucht nach Palästina setzte ein, viele Familien wurden durch den Zerfall der Monarchie zerrissen: Der Untergang der alten Ordnung hatte für die Juden in der Tat weitreichende Folgen.

Karl Kraus, Julius Tandler

Ähnlich zur Schallaburg, wo man die Geschichte des Krieges anhand der Schicksale von 15 Protagonisten nachvollziehen kann, setzt man auch im Jüdischen Museum auf Menschen und ihre Verstrickungen. Vorgestellt werden u. a. Fußballteamchef Hugo Meisl, Publizist Karl Kraus, Sozialreformer Julius Tandler, Kabarettist Fritz Grünbaum, Tonsetzer Arnold Schönberg, Maler Jehudo Epstein und Schriftsteller Manès Sperber. Unter den Porträtierten findet man aber auch den Ingenieur Siegfried Popper, der die Kriegsschiffe konstruierte, und etliche unbekannte Männer, die Kriegsdienst versahen. Diese Biografien machen die Schau besonders eindringlich. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 5./6.4.2014)