Ein Mann Gottes, der mit den Erdenwürmern abgeschlossen hat: Russell Crowe als grimmig-patriarchaler Titelheld aus Darren Aronofskys "Noah". 

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Jennifer Connelly und Russell Crowe in "Noah".

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Wien - Die Sintflut sollte in einem US-Blockbuster, der den Namen Noah verdient, eigentlich der größte Schauwert sein. Was wäre da nicht alles möglich gewesen! Computeranimierte Wasserfestspiele, Tsunamis im Akkord, tödliche Strudel, Gischt und Fontänen, die 3-D-angetrieben ins Kinopublikum hineinragen.

Nichts davon schien Darren Aronofsky sonderlich zu interessieren. Natürlich wird es ordentlich nass. Der Regen peitscht nieder, aus dem Inneren der Erde brechen Brunnen hervor, aber nach ein paar Flutwellen ist die Angelegenheit auch rasch wieder erledigt. Einzig das Bild eines mit verzweifelten Überlebenden dicht belagerten Felsens, der einsam aus dem Wasser ragt, brennt sich ins Gedächtnis ein.

Noah ist der seltene Fall einer Hollywood-Großproduktion, die ein Regisseur ein Stück weit auch als persönliches Projekt betrieben hat. Bisher realisierte Aronofsky seine Filme stets im Independent-Bereich. Anfang 2000 wurde er mit visuell eigensinnigen Arbeiten wie Pi und Requiem For a Dream bekannt, zuletzt hat dem New Yorker der Erfolg mit dem Ballettdrama The Black Swan auch den Weg zu diesem für ihn doch ziemlich unorthodoxen Job geebnet.

Aronofsky bezeichnet sich zwar als Atheisten, doch die Geschichte dieses von Gott Auserwählten, der beim Reboot der Welt auf paradiesische Verhältnisse eine zentrale Aufgabe erhält, habe ihn dennoch seit jeher fasziniert. Tatsächlich ist es nun auch Noah allein, ein von Visionen gequälter Mann, der sich in seinem Eifer zum Fundamentalisten entwickelt, der den Film beherrscht. Er passt auch am besten zu Aronofskys Faible für obsessive Gestalten, die nie aufhören können, was sie einmal begonnen haben: Schon Mickey Rourke in The Wrestler hatte etwas von einer Leidensfigur.

Der Weg der Erkenntnis ist aber auch für Noah beschwerlich. Dessen Visionen inszeniert Aronofsky ein wenig so wie Popvideos aus den späten 1980er-Jahren, die sich wiederum auf Kenneth Anger beziehen: Stakkatoartig wechseln Bilder wie ein sinnlich-praller Granatapfel und der Stein in der Hand von Kain mit Hieronymus-Bosch-geschulten Untergangsszenarien. Bis der Familienvater weiß, was zu tun ist, dreht sich die Handlung ein paar Mal im Kreis.

Ungeduldiger zeigt sich Aronofsky bei Wundern: Im Zeitraffer breitet sich ein Bächlein durch die Wüste aus und lässt dort einen prächtigen Laubwald gedeihen, der das Holz für die Arche liefern wird. Auch eine Evolutionssequenz, die wie eine Variation jener aus Terrence Malicks The Tree of Life erscheint, nachdem man Speed eingeworfen hat, trägt eindeutig die Handschrift des Regisseurs. Jene Passagen, in denen zu Steinkolossen erstarrte Engel, die Wächter, an der Seite Noahs kämpfen, wirken dagegen, als wären sie aus The Hobbit abgepaust.

Welt ohne Menschen

Die stilistische Unbeständigkeit geht in Noah so weit, dass der Film stellenweise richtiggehend wie Camp wirkt, also übertrieben, grell, mit dem Trivialen liebäugelnd. Dem steht nur der Ernst gegenüber, mit dem Aronofsky den von Russell Crowe entsprechend grimmig verkörperten Noah sein Vorhaben einer zukünftigen Welt verfolgen lässt, in der Menschen keinen Platz mehr haben.

Nicht einmal seinen Söhnen traut dieser Proto-Umweltschützer, auch seine Frau (unterfordert: Jennifer Connelly) interveniert umsonst. Die eigene Art, glaubt er, trägt ohne Ausnahme den Makel des Sündhaften. Das führt im letzten, markantesten Drittel des Films dazu, dass sich der Konflikt nach innen richtet, in die Arche, in die Familie: ein Psychodrama mit Holzverschalung. Aronofsky betreibt hier unverhohlen Kritik an religiösem Fanatismus.

Das Studio Paramount war mit dem Ergebnis so unsicher, dass es reihenweise Testscreenings veranstaltete. Am Ende hat doch die Version des Regisseurs gesiegt, an den US-Kassen erwies sie sich als Erfolg. Eine Errungenschaft ist dieser matschgraue, pessimistische Anti-Schinken dennoch nicht: Noah, der Film, bedient anders als sein Held zu viele Interessen auf einmal. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 4.4.2014)