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Schon nach 20 Minuten im ersten Halbfinalspiel hatte ServusTV-Experte Marc Brabant das Verhalten des HCB Südtirol bei gegnerischem Scheibenbesitz entschlüsselt. Auswärts wird aus dieser Dreier- sogar eine Viererkette.

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Anders als im Vorjahr spielt das Powerplay in den laufenden Play-Offs eine wesentliche Rolle. Mehr als ein Drittel aller Treffer fällt bei numerischer Überlegenheit.

Mit der Behauptung, in der Endspielserie um die Meisterschaft würden sich im April Salzburg und Bozen gegenüberstehen, hätte sich zu Saisonbeginn viel Geld in Wettbüros verdienen lassen. Als Quotentreiber hätten dabei weniger die Bullen gedient, vielmehr war es der im vergangenen Sommer neu in die Liga eingestiegene HCB Südtirol, der in der laufenden Spielzeit alle - inklusive sich selbst - überraschte. Die Füchse starteten trotz magerer Vorbereitung stark und performten in der Folge nicht überragend, aber auf eindrucksvoll konstantem Level. Aus einer Mannschaft, die nach der Summe der Einzelbegabungen kaum der oberen Tabellenhälfte der Erste Bank Eishockey Liga zuzurechnen wäre, hat Trainer Tom Pokel ein simpel aber effektiv strukturiertes Team geformt, das seine bisherigen Kontrahenten mit bedingungslosem Defensiveishockey meist vor unlösbare Aufgaben stellte. Vereinfacht gesagt, baut Bozen bei Scheibenbesitz des Gegners eine kaum geordnet zu durchdringende Dreierkette im Mitteldrittel auf (siehe Grafik links), die bei Vorsprung oder in Auswärtsspielen sogar zu einer Viererkette wird. Als flankierende Maßnahme wurden im Halbfinale ein oder zwei weit vordringende Forechecker gesetzt. Gegen Villach, dessen Verteidiger mit Ausnahme Gerhard Unterluggauers in Bedrängnis zu gravierenden Ungenauigkeiten im Passspiel neigen, erwies sich dieser Ansatz als sehr erfolgreich.

1. Spielerisch talentierteste Mannschaft der Liga

Mit dem EC Salzburg steht den Füchsen im Endspiel jedoch das technisch und eisläuferisch versierteste Team der Liga gegenüber. Anders als in der Vergangenheit sind es nicht herausragende Einzelakteure, die dem Spiel der Bullen ihren Stempel aufdrücken, vielmehr überzeugt das von Trainer Don Jackson dirigierte Ensemble durch Geschlossenheit und Dichte: In keinem anderen Klub in der EBEL ist die das Leistungsgefälle zwischen den vier Angriffslinien abbildende Kurve flacher als bei Salzburg.

Nach vorne stellt jeder Block die annähernd gleiche Gefahr für das gegnerische Tor dar, gelangt man als Kollektiv nicht zum Erfolg, stehen mit Thomas Raffl, Manuel Latusa oder Dave Meckler immer noch Einzelkönner in Sachen Torabschluss zur Verfügung. Die Verteidigung überzeugt in der eigenen Zone durch Flexibilität und Beweglichkeit, agiert im Aufbau abgeklärt und liefert für die Sturmformationen leicht verwertbare Vorlagen der Angriffseröffnung.

Das in spielerischer Hinsicht einzige Fragezeichen werfen die Special Teams der Bullen auf. Während Salzburg über den gesamten Saisonverlauf hinweg das deutlich stärkste Team der Liga bei gleicher Spieleranzahl am Eis war, schlichen sich sowohl in Über- als auch in Unterzahl immer wieder Phasen des Leerlaufs ein. Anders als etwa im Vorjahr erweisen sich in der Post Season 2014 die Situationen numerischen Ungleichgewichts als besonders entscheidend (siehe Grafik links), Salzburg liegt aktuell sowohl im Powerplay als auch im Penalty Killing nur auf Rang fünf der Play-Off-Wertung.

2. Herausragende Kadertiefe

Der Hauptgrund für den Erfolg in der bisherigen Saison ist im Fall der Bullen in ihrer Mannschaftsstruktur zu verorten, der wie beschrieben ausgeglichen besetzte Kader verleiht dem Team beeindruckende Tiefe. Die dominantesten und auffälligsten Einzelspieler der Erste Bank Eishockey Liga stehen bei anderen Klubs unter Vertrag, Salzburg punktet hingegen mit Geschlossenheit. Im Sog des Kollektivs machten Cracks wie Florian Mühlstein oder Fabio Hofer, in der Vergangenheit eher der Kategorie Mitläufer zuzurechnen, einen deutlichen Sprung nach vorne - auch weil sie heuer kontinuierlich Eiszeit erhalten. In der Abwehr konnte Dominique Heinrich sein hohes spielerisches Niveau weiter steigern und in den Kreis der offensivstärksten Verteidiger Österreichs aufsteigen. Ein deutlicher Fortschritt ist in seinem zweiten Jahr im Verein auch Konstantin Komarek zu attestieren, der mittlerweile im Stande dazu ist, eine Angriffsformation zu führen.

Auf die positive Leistungsentwicklung vieler Akteure im Red Bull-Kader hatte auch die Personalpolitik Don Jacksons massiven Einfluss. Er baut auf einen stabilen Mannschaftskern und setzte im Saisonverlauf nur 26 verschiedene Feldspieler ein. Darin unterscheidet er sich klar von seinen Vorgängern: In den ersten neun Jahren der Ligazugehörigkeit streiften sich pro Spielzeit im Schnitt 38 Skater das Salzburger Trikot über.

3. Das beste Torhütergespann

Bereits im Viertelfinale entfaltete eine weitere Eigenschaft des Kaders ihre Wirkung: Die für EBEL-Maßstäbe ideale Besetzung der Torhüterposition mit einem komplementären Duo. Als der im Grunddurchgang überragende Luka Gračnar (GAA 1,97) gegen Dornbirn schwächelte, sprang Bernd Brückler in die Bresche und drehte die Serie. Der mittlerweile an der Grenze zur Verhaltensauffälligkeit vor Selbstvertrauen strotzende Steirer zauberte eine bereits auf sieben Spiele angewachsene Siegesserie aufs Eis und kassierte dabei im Schnitt nur 1,59 Gegentreffer pro Partie. Damit dürfte er auch als Nummer eins in die erst zweite Finalserie seiner Profilaufbahn gehen, obwohl in allen sechs Grunddurchgangsduellen mit Bozen Luka Gračnar zwischen den Pfosten stand.

Der erfahrene Österreicher (32) und der junge Slowene (20) sind Goalies sehr unterschiedlicher Prägung, ergänzen sich im Tandem aber nahezu ideal. Um als Team erfolgreich zu sein, ist dies auch nötig, denn hinter einer Mannschaft des aktuellen Salzburger Zuschnitts ist das Leben als Torhüter kein leichtes: Die Bullen erlauben ihren Gegnern die mit Abstand wenigsten Torschüsse in der Liga (im Schnitt 26,3 pro 60 gespielten Minuten), dringt eine Scheibe bis zum Schlussmann durch, kommt sie häufig aus verdeckter Position. Selbst der so defensiv ausgerichtete Finalgegner Bozen lässt gut zwölf Prozent mehr Shots zu.

4. Heimvorteil in kurzer Serie

Nicht zu unterschätzen ist Salzburgs Vorteil, die Endspielserie auf eigenem Eis beginnen zu können. Dieser Umstand gewinnt zusätzlich an Bedeutung, da erstmals seit 2004 wieder das Best-of-Five-Format in einem Finale zur Anwendung kommt, drei Siege also zum Titelgewinn reichen. In der EBEL-Geschichte seit der Liga-Neugründung im Jahr 2000 setzte sich in mehr als 80 Prozent der Best-of-Five-Serien jene Mannschaft durch, die im ersten (sowie im dritten und eventuellen fünften) Spiel Heimrecht genoss. Vorentscheidenden Charakter hat wohl bereits die Begegnung am Freitag: 23 von 26 Best-of-Five-Serien gewann am Ende jenes Team, das auch die erste Partie für sich entscheiden konnte. Allerdings verloren die Bullen bei jeder ihrer jüngsten vier Finalteilnahmen das Auftaktspiel.

5. Kehrtwende im Klub

Dank der Millionen aus dem Hause Red Bull schickt Salzburg Jahr für Jahr eine talentierte, hochkarätig besetzte Mannschaft ins Titelrennen. Jene der Saison 2013/14 ist weder die teuerste noch die nominell beste der Klubgeschichte, vielmehr ist sie von Eigenschaften wie Ausgeglichenheit oder Friktionsfreiheit nach innen wie nach außen gekennzeichnet. Hauptverantwortlich dafür ist Trainer Don Jackson, der die unter der Führung des unorthodoxen Pierre Pagé herrschende stete Unruhe befriedet hat. Die Mannschaft, ja Salzburgs gesamte Organisation, hat seit Sommer sprichwörtlich aufgeatmet, am Volksgarten weht ein frischer Wind, sämtliche Abläufe wirken entspannter, deutlich unaufgeregter.

Nach holprigem Saisonbeginn verstand es das Team im Verlauf der Spielzeit zunehmend besser, die Gedanken des Coaches aufs Eis zu übertragen. Wie gut die Mannschaft das System des über nahezu jeden Zweifel erhabenen Jackson verinnerlicht hat, beweist die bisherige Bilanz: Die Bullen haben in diesem Jahr 69,8 Prozent ihrer EBEL-Spiele gewonnen, was dem zweithöchsten Wert der Klubgeschichte nach 2006/07 (unter Hardy Nilsson) entspricht. Auch die Crew hinter dem Cheftrainer trägt ihren Teil zum Erfolg bei: So ist davon auszugehen, dass die Abteilung Videocoaching die eingangs beschriebene Spielweise von Finalgegner Bozen längst entschlüsselt und der versammelte Trainerstab wirksame Gegenstrategien entwickelt hat. Ein Zusammenspiel, das bei den bisherigen Play-Off-Gegnern der Südtiroler nicht geklappt hat. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 3.4.2014)