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Keine Überholspur im Internet: Netzneutralität durch Änderungsanträge gesichert.

Foto: APA/dpa/Peter Steffen

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Preisobergrenzen bei Mobilkommunikation mit dem EU-Ausland, Gespräche, Datentransfer und SMS.

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Das Europaparlament hat am Donnerstag wie erwartet einen Plan zur Abschaffung von Roaming-Gebühren angenommen. Überraschenderweise wurden auch Änderungsanträge bei umstrittenen Passagen zur Netzneutralität angenommen: Diese soll bindend gesetzlich verankert werden, Ausnahmen für "Spezialdienste" sind nicht mehr geplant.

"Rettung des Internets"

Hacktivisten jubelten auf Twitter über die "Rettung des Internets". In den vergangenen Wochen hatten sich mehr als 160.000 Bürger gegen die Pläne des EU-Industrieausschusses ausgesprochen, der es Providern erlauben wollte, sogenannte Spezialdienste anzubieten. Services wie Youtube und Spotify hätten dann den Internetanbietern Geld überweisen können, um schnellere Verbindungen zu Nutzern zu erhalten. Für Kritiker hätte das die Einführung eines "Zwei-Klassen-Internets" bedeutet.

Sonderbehandlung ohne Schädigung

Eine Sonderbehandlung für Spezialdienste mit großen Datenmengen wollen die EU-Parlamentarier zwar zulassen, etwa für den Videoabruf im Internet. Das darf aber Verfügbarkeit und Qualität von anderen Angeboten nicht beeinträchtigen. Internetanbieter dürfen einzelne Dienste nicht zum Schaden anderer Angebote bevorzugen. Internetnutzer sollen somit weiterhin gleichberechtigten Zugang zu allen Angeboten im Netz bekommen. Mit ihrem Votum gingen die Abgeordneten über Vorschläge der EU-Kommission zur Netzneutralität hinaus, sie forderten strengere Vorgaben.

Telekombranche: Schritt in falsche Richtung

Damit stellt sich das Parlament, wie Reuters analysiert, auch in puncto Netzneutralität auf die Seite der Konsumenten. Auch das österreichische Infrastrukturministerium hatte sich gegen den EU-Plan gewandt: "Der Ansatz der Kommission erscheint aber nicht geeignet, die Netzneutralität zu wahren. Im Gegenteil."

Die Lobbyinggruppe ETNO, der unter anderen Orange, die Deutsche Telekom, Telecom Italia und die spanische Telefonica angehören, sprach hingegen von einem "Schritt in die falsche Richtung".

Abstimmungsverhalten

Die Änderungsanträge wurden laut ersten Meldungen mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen, Piraten und linken Parteien beschlossen. Die Europäische Volkspartei hatte sich für Spezialdienste ausgesprochen, auch der ÖVP-Europaabgeordnete Paul Rübig hatte in einer Aussendung für Spezialdienste argumentiert. "Wenn alle anfangen, 'House of Cards' herunterzuladen, darf das nicht dazu führen, dass der normale Surfer im Stau steht oder dass Notrufe nicht mehr zugestellt werden können", betonte Rübig. Er zeigte sich enttäuscht, dass "manche Abgeordnete in der Öffentlichkeit so tun, als sei das Internet in Gefahr".

Weidenholzer (SPÖ): "Historischer T ag"

Andere österreichische Parteien äußerten sich positiv zum Abstimmungsergebnis, etwa Josef Weidenholzer (SPÖ), der schon länger gegen den kontroversen Gesetzestext in Erscheinung trat: "Wir haben heute sichergestellt, dass das Internet offen und neutral bleibt." Für ihn handelt es sich um einen "historischen Tag". Eva Lichtenberger von den Grünen nennt das Ergebnis einen "wichtigen Erfolg für Netzneutralität und freies Internet", auch die Neos begrüßen das Ergebnis.

Wichtige Änderungsanträge angenommen

Zwar wurden nicht alle Änderungsanträge angenommen, wichtige Verankerungen der Netzneutralität schafften es aber in den Text, darunter folgende Definition: "Netzneutralität bezeichnet den Grundsatz, nach dem der gesamte Internetverkehr ohne Diskriminierung, Einschränkung oder Beeinträchtigung und unabhängig von Absender, Empfänger, Art, Inhalt, Gerät, Dienst oder Anwendung gleich behandelt wird."

Roaming fällt

Wie bislang bekannt, sollen Roaming-Gebühren ab Ende 2015 der Vergangenheit angehören. Auch gegen diese Pläne gab es allerdings Kritik. So wurde vor einer Erhöhung von Inlandstarifen gewarnt, durch die Mobilfunker den Wegfall der Roaming-Einnahmen kompensieren könnten. T-Mobile sieht etwa "Millionenaufwände" auf die Branche zukommen, auch das Infrastrukturministerium unter Doris Bures (SPÖ) sprach sich gegen eine sofortige Abschaffung der Auslandsgebühren aus.

Stärkung des Wirtschaftsraums

Mit der Abschaffung der Roaming-Gebühren sollen die europäische Einheit und der Wirtschaftsraum gestärkt werden. Der Einnahmenentgang für die Anbieter soll laut EU-Kommission dadurch abgefedert werden, dass EU-Bürger nun mehr miteinander telefonieren. "Mit diesem Votum zeigt die EU ihren Bürgern, dass sie für sie da ist", sagte Kommissarin Neelie Kroes.

Verhandlungen mit EU-Staaten

Bis der Beschluss des Parlaments Realität wird, dürfte es allerdings noch Monate dauern. Denn das Vorhaben benötigt auch die Zustimmung der EU-Staaten. Im Herbst könnten Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedsstaaten beginnen. (fsc, derStandard.at, 3.4.2014)