Mit mehr als 2,8 Millionen Abonnenten zählen die Komiker "Y-Titty" zu den beliebtesten Youtube-Stars in Deutschland.

Foto: Mediakraft

Lifestyle-, Beauty- und Modeexpertin "Daarum" versammelt derzeit rund 700.000 Fans auf ihrem Youtube-Kanal.

Foto: Mediakraft/Daarum

Wien – Sie sprießen wie Pilze nach dem Sommerregen, haben mehr Abonnenten, als einige TV-Kanäle Zuseher, und geben sich komische Namen: "Y-Titty", "Die Lochis", "Daarum" und die Österreicherin "It's Kim Lianne" sind einige von tausenden Youtubern, die mit ihren Onlinevideos Geld verdienen.

Davon leben können in Deutschland "ein paar Dutzend", sagt Christoph Poropatits im Gespräch mit derStandard.at. Poropatits, geboren in Wiener Neustadt, ist mit 27 Executive Vice President von Mediakraft Deutschland, nach Engagements bei Google Großbritannien und der Google-Tochter Youtube in Irland. Neben Schule und Studium schrieb er übrigens für die "Niederösterreichischen Nachrichten". Mit 1.600 Kanälen ist Mediakraft das größte Youtube-Netzwerk Deutschlands. Den Angriff des Produktionsriesen Ufa, der sich an der Plattform Divimove beteiligte, nimmt er gelassen.

derStandard.at: Ein alter Riese, die Ufa, will in den nächsten Jahren Millionen einsetzen, um Ihrer Videoplattform ernsthaft Konkurrenz zu machen.

Poropatits: Es belebt die gesamte Onlinevideo-Branche, wenn mehr Investitionen in diese getätigt werden, und das ist auch eine Bestätigung unserer Arbeit.

derStandard.at: Wie viele Youtuber können in Deutschland bereits von ihren Videos leben?

Poropatits: In Deutschland gibt es Tausende, die Geld verdienen. Davon leben können wahrscheinlich ein paar Dutzend.

derStandard.at: Existiert eine Messlatte, ab wie vielen Klicks es aufgrund der Werbeeinnahmen lukrativ wird?

Poropatits: Das lässt sich schwer sagen, weil die Einnahmen je nach Genre der Videos, aber auch saisonal sehr stark fluktuieren. Aber: Hat ein Kanal mit regelmäßigen Inhalten um die 100.000 Abonnenten, so ist das ein guter Indikator, dass die Werbeinnahmen so hoch sind, dass man davon leben kann.

derStandard.at: Wie viele Klicks lassen sich bei 100.000 Abonnenten generieren?

Poropatits: Das kommt auch ein bisschen darauf an, wie viele Videos pro Woche hochgeladen werden. Bei einer Million Aufrufen pro Monat beginnt es, finanziell interessant zu werden.

derStandard.at: Stimmt es, dass Youtuber 1,50 Euro pro tausend Klicks für die Werbeeinblendungen erhalten?

Poropatits: Dazu können wir als Vertragspartner von Youtube leider keine Angaben machen. Was wir sagen können, ist, dass die Werbepreise auf Youtube starken Schwankungen nach oben und unten unterliegen. Deswegen sollte man den veröffentlichten Zahlen nicht zu viel Glauben schenken.

derStandard.at: In welcher Frequenz sollen Videos veröffentlicht werden? Was raten Sie als Vermarkter?

Poropatits: Wir raten unseren Künstlern zu regelmäßigen Uploads. User wollen gewisse Riten und eine Beständigkeit. Die Zuschauer von "Y-Titty" freuen sich jede Woche darauf, dass am Freitag um 16 Uhr der Highlight-Clip der Woche hochgeladen wird. Mittlerweile haben wir sogar etliche Produzenten in unserem Netzwerk, die Youtube vollberuflich machen und zum Beispiel ein Video pro Tag hochladen.

derStandard.at: Wie sieht der typische Youtube-Star aus?

Poropatits: Das lässt sich schwer verallgemeinern. Auf jeden Fall sind alle sehr agil und kreativ, im Umgang mit neuen Medien unglaublich versiert, sie leben es tagtäglich.

derStandard.at: Welche Inhalte dominieren? Seichte Unterhaltung?

Poropatits: Nein, gar nicht. Vor allem deswegen nicht, weil ja die enorme Reichweite der Entertainment-Kanäle bereits impliziert, dass es beim Publikum wahnsinnig gut ankommt.

derStandard.at: Reichweite bedeutet nicht automatisch Qualität.

Poropatits: Im Gegensatz zu mancher Entertainment-Sendung im TV, die um 20.15 Uhr im Hauptabend läuft und mit sinkenden Quoten zu kämpfen hat, steigen die Quoten unserer Videos, weil auch die Qualität beim Publikum gut ankommt.

derStandard.at: Was sind die Topkategorien?

Poropatits: In Führung liegt sicher Entertainment mit Comedy, Sketches und Parodien, danach kommen Beauty, Lifestyle und Fashion. Das geht von Make-up-Tipps über Personality- bis zu Society-News. Ein weiterer Kategorienblock ist Sport mit zum Teil sehr ansprechenden neuen Formaten, wie zum Beispiel auf dem Kanal youtube.com/undfussball zu sehen ist.

Was derzeit am stärksten wächst, ist der Nachrichten- und Infotainment-Bereich. Anhand des Kanals youtube.com/wasgehtab sieht man beispielweise, dass es einen unheimlichen Wissensdurst nach Nachrichteninhalten für eine junge Zielgruppe gibt. Gesprochen und vorgetragen, wie man es etwa in der "Zeit im Bild" nicht bekommt, und mit einer enormen Interaktion.

derStandard.at: Sind das Nachrichten, die den journalistischen Standards entsprechen, oder handelt es sich nur um eine Hülle für Vermarktungsmöglichkeiten?

Poropatits: Das sind authentische und seriöse Nachrichten, gewürzt mit viel Meinung. Unsere Sendung "Was geht ab" wird von einer ganz normalen Nachrichtenredaktion geplant. Inzwischen ist es die erfolgreichste deutschsprachige Online-Nachrichtensendung mit fünf Millionen Views im Monat.

derStandard.at: Und solche Formate gibt es im TV nicht?

Poropatits: Derzeit nicht, es gibt viele Eigenheiten, die das Fernsehen nicht bieten kann. Durch die Kommentare und Social Media kann jeder Zuschauer in einer Art und Weise am Programm teilhaben, wie es beim Fernsehen nicht möglich ist. Im linearen TV-Programm muss man sich die Inhalte zu einem bestimmten Zeitpunkt ansehen, online ist das nicht der Fall.

derStandard.at: Sehen Sie keine Gefahr der Verflachung, wenn nicht Inhalte im Vordergrund stehen, sondern nur die Verpackung zählt?

Poropatits: Tatsächlich ist es so, dass die Inhalte bei Onlinevideos über allem stehen. Wenn die von den Videomachern nicht glaubwürdig und mit viel Leidenschaft rübergebracht werden, nützt die schönste Verpackung nichts.

derStandard.at: Nach welchen Kriterien nimmt Mediakraft Youtuber auf?

Poropatits: Wir wollen so vielen Videomachern wie nur möglich die Chance geben, von den Vorteilen eines Netzwerks zu profitieren. Das Genre kann beliebig sein, denn über den Erfolg entscheiden die Zuschauer. Wir legen Wert darauf, dass sich Kanäle im Netzwerk positiv entwickeln. Im Moment haben wir etwa 1.300 Partner, die mehr als 1.600 Kanäle betreiben.

derStandard.at: Wie sieht es mit sexuellen Inhalten aus?

Poropatits: Es gelten die Youtube-Richtlinien, und die sind gerade in diesem Punkt sehr streng. Deswegen spielen derartige Inhalte für uns keine Rolle.

derStandard.at: Mediakraft betreibt eine Art Talentepool. Gibt es dort technische Hilfe und Schauspielunterricht?

Poropatits: Nein, aber Schauspielunterricht ist eine gute Idee. Wir haben beispielsweise Foren zum Austauschen, wöchentliche Workshops, und wir bieten Zugang zu Soundbibliotheken.

derStandard.at: Nachwuchs wird Schritt für Schritt herangezüchtet?

Poropatits: Das Wort "herangezüchtet" ist absolut unpassend in diesem Zusammenhang. Wir bieten unseren Partnern viele Leistungen, mit denen sie ihre Videos verbessern können. Es liegt an jedem selber, wie viel davon umgesetzt wird. Ein gutes Beispiel sind "DieLochis". Das sind Zwillinge, die jeden unserer Vorschläge aufgenommen haben und innerhalb von zwei Jahren auf eine enorme Reichweite gekommen sind. Die zwei müssen sich Urlaube nicht mehr von ihren Eltern sponsern lassen.

derStandard.at: Wie ist es um die Mediakraft-Aktivitäten in Österreich bestellt?

Poropatits: Ich habe großes Interesse daran, unseren Radius noch auszuweiten, nicht nur weil ich selbst Österreicher bin. Momentan sind wir in sechs Ländern tätig, in Österreich haben wir derzeit kein eigenes Büro. Wir unterstützen unsere hiesigen Partner aus unseren deutschen Niederlassungen – zum Beispiel in München.

derStandard.at: Google diktiert die Bedingungen auf Youtube. Ändert der Konzern die Spielregeln, können Unternehmen wie Mediakraft ein Problem mit ihrem Geschäftsmodell bekommen. Liefern Sie sich hier nicht einem Konzern komplett aus?

Poropatits: Youtube hat noch eine sehr marktbeherrschende Stellung, was aber nicht heißt, dass es immer so bleiben wird. Es gibt schließlich auch andere Plattformbetreiber und Gespräche mit ihnen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass Disney die Makers-Studios kauft. Das sind Produzenten, die sich intensiv um eine Strategie außerhalb von Youtube bemühen.

derStandard.at: Haben Sie die Hoffnung, dass Videoplattformen in ähnlicher Größe entstehen?

Poropatits: Es gibt ja bereits welche, auch wenn sie noch nicht so groß sind. Entscheidend ist nicht das Gerüst, sondern der Content. Er treibt User auf eine Plattform. Wir können uns gut vorstellen, mit unseren Inhalten andere Distributionswege zu gehen.

derStandard.at: An welche Plattform denken Sie? In Deutschland fällt mir keine ein.

Poropatits: Es gibt viele gute Alternativen, auch in anderen Ländern. Wir sind mit vielen in Gesprächen. In Deutschland gibt es zum Beispiel Clipfish und Snack TV, auf die wir auch schon Videos hochladen. Ansonsten ist die Technologie international. Es kommt nicht so sehr auf den Standort an, sondern ob unsere Inhalte darauf funktionieren.

derStandard.at: Mediakraft wurde wegen eines Videos von "Y-Titty" kürzlich wegen Schleichwerbung heftig kritisiert. Ist das gängige Praxis?

Poropatits: Wir sind uns sicher, dass keine Schleichwerbung stattgefunden hat. Wenn Branded Entertainment stattfindet, wird auch darauf hingewiesen. An sich dient Product-Placement seit Jahrzehnten der Mitfinanzierung von Inhalten und ist nicht illegal. Wie ich bereits sagte, ist für viele unserer Produzenten Onlinevideo der Beruf. Sie leben von den Werbeeinnahmen. Und auch Mediakraft muss seine Angestellten davon bezahlen. Wichtig ist, dass es korrekt gekennzeichnet wird, wir machen das auch. (Oliver Mark, derStandard.at, 17.4.2014)