Die Zusammenstöße vor den Kommunalwahlen in der Türkei und die internationalen Befürchtungen um die unberechenbaren Folgen der Annexion der Krim haben anfänglich die zwei Runden der Kampagne für die Präsidentschaftswahl in der Slowakei überschattet. Noch vor einigen Wochen hatten die meisten Beobachter einen souveränen Sieg für den damals als beliebtesten Politiker der Slowakei betrachteten Ministerpräsidenten Robert Fico vorausgesagt. Die Spekulationen der Medien drehten sich nur um ein Thema: Warum will Fico, der vor knapp zwei Jahren mit seiner linken Smer-Partei zum ersten Mal in der Geschichte der unabhängigen Slowakei die absolute Mehrheit der Parlamentsmandate erobert hat, wegen eines eher repräsentativen Posten so schnell wieder um die Gunst der Wähler buhlen.

Fico rechnete offensichtlich damit, dass er ohne ernsthafte Gegner diese Position während eines Jahrzehnts (das Staatsoberhaupt kann nur einmal wiedergewählt werden) behaupten und hinter den Kulissen die absolute Herrschaft seiner Partei zementieren könnte. Nun haben ihm aber die slowakischen Wähler einen dicken Strich durch seine Rechnung gemacht: Andrej Kiska, ein Selfmade-Mann, ein Millionär ohne jegliche politische Erfahrung mit einem fünfköpfigen Stab, hat den mächtigen Regierungschef bei einer freien Wahl (allerdings ging nur jeder zweite Slowake zu den Urnen) überzeugend mit 60 zu 40 Prozent besiegt.

Worin liegt nun die politische Bedeutung dieser Sensation in einem kleinen mitteleuropäischen Land, das erst vor knapp zwanzig Jahren seine Unabhängigkeit gewonnen hatte? Dass die Persönlichkeit des Siegers, eines Millionärs und Stifters, in den Vordergrund der in- und ausländischen Berichterstattung rückt, ist ebenso verständlich wie die Spekulationen über die Reaktion des Verlierers auf diese unerwartete, schallende Ohrfeige durch die Mehrheit der Wähler. Fico habe hoch gepokert - hoch verloren, lautet die korrekte Diagnose des Auslandskorrespondenten Christoph Tanei.

Unabhängig davon, ob Andrej Kiska seine Versprechungen über das "menschliche Gesicht" der Politik erfüllen wird, die Absage an eine korruptionsverdächtigte politische Elite und an den Versuch von "links", nahezu uneingeschränkte Machtbefugnisse zu gewinnen, ist ein Sieg für die Demokratie in der Slowakei. Die Slowaken haben wieder einmal - wie 1998 bei der Abwahl des autoritären starken Mannes, Vladimír Meciar, und bei der Unterstützung jenes Reformkurses, der 2004 zur Einführung des Euro führte - ihre politische Reife bewiesen. Kein Wunder, dass die Gegner der Allmacht Viktor Orbáns im Nachbarland Ungarn am Vorabend der Parlamentswahlen am 6. April mit kaum verhohlenem Neid die Ereignisse in der Slowakei kommentieren. "Einst hinter uns hinsichtlich Wirtschaftsleistung und europäischer Reife, ist die Slowakei zu einem europäischen Land geworden, während wir immer weniger als solches gelten", schrieb gestern in seinem Blog Prof. Tamás Bauer, angesehener Nationalökonom und (höchstwahrscheinlich chancenloser) Kandidat der linksliberalen Opposition. (Paul Lendvai, DER STANDARD, 1.4.2014)