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Die strafrechtlichen Folgen aus dem Scheitern der AvW-Gruppe sind bereits verhandelt. Firmengründer Wolfgang Auer-Welsbach muss sie tragen. Nun sind die Zivilrichter dabei, über etwaige Schadenersatzansprüche der Anleger zu entscheiden.

Foto: apa/Gert Eggenberger

Schlechte Nachrichten für die Republik. Die Strafsache AvW - der Anlagebetrug rund um den Kärntner Wolfgang Auer-Welsbach (siehe Wissen) - könnte ein teures Nachspiel haben. Von der AvW-Pleite betroffene Anleger (sie hatten Genussscheine der Beteiligungsgesellschaften gekauft und blieben darauf sitzen) haben die Republik vor dem Wiener Landesgericht auf Schadenersatz geklagt.

Nun liegt das Gerichtsgutachten vor; und das belastet die damalige Aufsichtsbehörde, die Bundeswertpapieraufsicht BWA, schwer. Sie ist der Republik zuzuordnen; ihren Job macht inzwischen die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA.

Das Gutachten erstellt hat der Grazer Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner, der schon die Expertise in der Strafsache AvW erstellt hatte. Er kommt in seinem 316-seitigen Papier zum Schluss, dass die AvW-Gesellschaften eigentlich schon 2001 pleite waren. Seit damals hat AvW den Genussscheinkäufern Rücknahmegarantien ausgestellt, diese aber nicht verbucht. Wäre dies geschehen "wären AvW Gruppe und AvW Invest AG ... sofort überschuldet gewesen", das "betrügerische ... Perpetuum mobile wäre nie in Gang gesetzt worden", schreibt Kleiner.

Ohne Rückverkaufsrecht nämlich "wäre das einzige eindeutige Vermarktungsargument beim Kauf der Genussscheine obsolet gewesen". Die Kurswerte der börsennotierten Papiere (die ja den Wert der Beteiligungen widerspiegeln sollten) seien zudem "gefälscht worden". Und: Im Rahmen des Umbaus der Gruppe ließ Auer-Welsbach seinen Unternehmen ein (aktienrechtlich nicht vorgesehenes) "Sondervermögen" zukommen, aus Erlösen eigener Genussscheinverkäufe.

Zu dieser Zeit, ab Mai 2000, hat die Aufsicht AvW in einer Vor-Ort-Prüfung zwar durchleuchtet - das "Sondervermögen" bzw. dessen Entstehungsgeschichte habe sie damals aber "nicht genauer geprüft", heißt es im Gutachten.

Mit der Preisbildung der Genussscheine hat sich die BWA damals aber sehr wohl beschäftigt, auch die von Auer-Welsbach erstellten "Berechnungsblätter" haben die Prüfer angesehen. Die kritische Schlussfolgerung der BWA: "Die Berechnungsblätter enthalten jedoch keine nachvollziehbaren Berechnungen ... Es ist daher nicht möglich festzustellen, wie der Kurs tatsächlich ermittelt wurde." Die "willkürliche Heranziehung bzw. Außerachtlassung von konkreten Vermögenspositionen" sei "nicht auszuschließen", von einer "korrekten Vorgehensweise" könne man nicht ausgehen.

Einsicht ohne Folgen

Alles nicht ganz ideal - im April 2001 hielten denn die Prüfer in einem Aktenvermerk fest, "eine Anzeige an die zuständige Staatsanwaltschaft" richten zu wollen. Sie gingen damals schon davon aus, dass die Kunden der AvW über den Wert der Genussscheine "getäuscht" wurden. Die Kursberechnung sei "unüblich, willkürlich und nicht nachvollziehbar".

Allerdings: Taten folgten dieser Einsicht nicht. Am 18. April 2001 riet der BWA-Chefjurist in einem Aktenvermerk von einer "Anzeigenerstattung" ab, "weil der BWA keine hinreichenden Anhaltspunkte für den Verdacht strafbarer Handlungen vorliegen".

Angezeigt wurde diese Angelegenheit dann erst 2010 von der FMA; das Ermittlungsverfahren gegen die Ex-BWA-Chefs, (unbekannte) Mitarbeiter des Finanzministeriums (unter dessen Ägide die BWA stand) und dessen damaligen Chef, Karl-Heinz Grasser, wurde 2012 aber eingestellt.

Der Sukkus aus dem Gutachten: Wäre die BWA Anfang der 2000er-Jahre, nach der Vor-Ort-Prüfung, "bei ihrer kritischen Haltung geblieben, wäre ... die Fälschung der Genussscheinkurse offenkundig geworden; dies ohne Befassung der Justiz".

Sollte der Zivilrichter dem folgen und den Klägern (derzeit ist ein Musterverfahren anhängig) Recht geben, haftet die Republik für deren Schaden. Zur Erinnerung: Insgesamt haben die AvW-Gläubiger rund 940 Mio. Euro an Forderungen angemeldet. (Renate Graber, DER STANDARD, 1.4.2014)