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Serhiy Taruta (58) gilt als einer der reichsten ukrainischen Unternehmer. Er ist Präsident des Fußballvereins Metalurh Donezk und ist seit 2. März Gouverneur der Region Donezk.

Foto: AP Photo/Sergei Chuzavkov

Die Krise in der Ukraine könne nur durch einschneidende Reformen gelöst werden, meint der Oligarch und neue Gouverneur von Donezk, Serhiy Taruta, im Gespräch mit Nina Jeglinski. Die Hilfe des IWF sei dabei immens wichtig.

STANDARD: Noch Anfang 2013 hatten Sie versichert, dass Sie kein politisches Amt übernehmen werden. Jetzt sind Sie Gouverneur. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Taruta: Ich werde auch in Zukunft keiner Regierung angehören, sondern weiter als Geschäftsmann tätig sein. In der Vergangenheit sind mir immer wieder Posten angeboten worden, aber damals war die Lage eine andere als heute. Die Angst vor einer möglichen Spaltung der Ukraine hat mich dazu bewogen, den Posten doch anzunehmen. Man hat mich gebeten, als konsolidierende Kraft aufzutreten. Außerdem soll ich meine Erfahrungen einbringen, um in der Metallindustrie schnelle und effektive Reformen voranzubringen.

STANDARD: Viele stehen den Oligarchen sehr kritisch gegenüber. Wie begegnen Sie diesen Vorwürfen?

Taruta: Ich war nie in der Regierung, ich habe aus eigener Kraft mein Unternehmen aufgebaut. Natürlich nicht durch mich allein; die richtigen Mitarbeiter, Entscheidungen und Strategie haben zum Erfolg geführt. Es ist ein Erfolg meines Teams.

STANDARD: Wie sollen sich die ukrainischen Oligarchen einbringen?

Taruta: Indem sie den Umbau und die Reformen beginnen - nicht nur auf wirtschaftlicher, auch auf verwaltungstechnischer Ebene.

STANDARD: Der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Oligarch Igor Kolomoiskij, sagt, dass er die Armee und die Polizei finanziert. Nutzen auch Sie Ihre eigenen Mittel?

Taruta: Dort ist kein Grenzgebiet, da hat er es viel leichter. Die Probleme der Oblasten Charkiw, Lugansk und Donezk sind größer: Zum einen liegen sie an der Grenze zu Russland, zum anderen haben wir es hier mit einer großen Anzahl von Menschen unter der Armutsgrenze zu tun. Natürlich muss man helfen, und das tue ich mit meinem eigenen Geld. Das Problem ist, dass ein armer Beamter ein armes Land bedeutet. Kein Gouverneur kann für 500 Euro arbeiten. Bei uns bezahlen gute Firmen ihren Managern 3000 bis 5000 Dollar. Auch hohe Verwaltungsangestellte sollten solche Honorare erhalten. Allerdings bin ich dafür, die Zahl Beamten zu senken; insgesamt muss die gesamte Verwaltung reformiert werden.

STANDARD: Befürchten Sie, dass Moskau nach der Krim auch die Ost- und Südukraine annektiert?

Taruta: Die Mehrheit der Bevölkerung hier ist gegen den Anschluss. Gäbe es ein faires Referendum, würde die Mehrheit für den Erhalt einer einheitlichen Ukraine stimmen. Die Menschen wollen besser leben - das ist vor allem mit Europa möglich.

STANDARD: Haben Sie Befürchtungen, dass es Krieg geben könnte?

Taruta: Ich denke nicht gerne an einen Krieg. Ich bin ein friedlicher Mensch, setze auf friedliche Lösungen. Wir sollten den Nachbarn freundschaftlich und partnerschaftlich begegnen und keinen Krieg führen. Russland ist unser historischer Partner. Ein Krieg wäre eine sehr schlechte Lösung. Ich wünsche mir, dass alle Staaten, die unsere Unabhängigkeit auf der Basis von Abkommen garantieren, sich auch daran halten. Aufgabe der Politik ist, eine gemeinsame Lösung zu finden.

STANDARD: Wie soll der Westen helfen?

Taruta: Indem er die zugesagten Finanzhilfen schnell auszahlt. Ich höre, dass der Internationale Währungsfonds das Geld im Mai bereitstellen will. Das ist viel zu spät. Ein Teil des IWF-Pakets muss sofort überwiesen werden. Gelingt es nicht, das Land zu stabilisieren, explodiert es.

STANDARD: Der IWF fordert harte Reformen, fürchten Sie die Folgen?

Taruta: Die Verhandlungen müssen vor allem eines bringen: die Schließung der riesigen Haushaltslücke. Meiner Meinung nach sollte der IWF jetzt nicht auf unpopuläre Maßnahmen bestehen. Wir sollten auch schauen, welche Quellen wir zur Auffüllung des Budgets haben. Ich denke, davon gibt es genug. Wenn wir die von der vorigen Regierung hinterlassene Korruption bewältigen können, dann haben wir ziemlich viele Instrumente in der Hand, um mit dem Problem fertig zu werden, ohne die sozial Schwachen allzu sehr zu belasten. Ich würde deshalb den Gaspreis nicht so drastisch steigen lassen.  (DER STANDARD, 31.3.2014)