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Steuer-CDs aus der Schweiz haben in Deutschland für eine Flut von Selbstanzeigen gesorgt.

Foto: apa/Frank Rumpenhorst

Geht es nach den Plänen von Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl, sollen in Zukunft Selbstanzeigen durch Steuersünder nicht mehr automatisch zur Straffreiheit führen, sondern für den Fall einer Selbstanzeige "Strafzuschläge" zwischen fünf und 50 Prozent des hinterzogenen Betrages eingeführt werden. Damit solle signalisiert werden, dass es sich bei "Steuerbetrug" um "kein Kavaliersdelikt" handle.

Die Selbstanzeige beseitigt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Strafbarkeit wegen des Steuerdelikts. Insbesondere muss zum einen die Selbstanzeige zu einem Zeitpunkt erstattet werden, zu dem noch nicht gegen den Steuersünder ermittelt wird oder bereits eine Betriebsprüfung läuft. Zum anderen müssen die geschuldeten Steuern vollständig entrichtet werden. Nur dann tritt völlige Straffreiheit ein.

Straffreiheit als Motivation

Die Forderung der Finanzstaatssekretärin scheint getragen zu sein von der Meinung, dass die Selbstanzeige eine (ungerechtfertigte) Bevorzugung von Steuersündern darstellt. Damit wird aber der eigentliche Zweck der Selbstanzeige verkannt. Ihre Rechtfertigung findet die Selbstanzeige in erster Linie in der steuerpolitischen Zielsetzung, das Steueraufkommen zu vermehren.

Zur Erreichung dieses Ziels bietet der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen Straffreiheit an, weil der Staat mangels hinreichender Kontrollmöglichkeiten im Steuerrecht in hohem Maße auf die Mithilfe der Bürger angewiesen ist. Durch die Möglichkeit der Selbstanzeige sollen bisher unbekannte Steuerquellen erschlossen werden, die dem Staat ohne dieses Instrument nicht oder nur schwierig bekannt würden.

Die Selbstanzeige bezweckt daher vor allem, den durch das Finanzvergehen bewirkten Ausfall von Steuereinnahmen zu beseitigen. Dabei soll sie dem Finanzstraftäter auch einen Anreiz bieten, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren und in Zukunft seine steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

Keine Selbstbeschuldigung

Auch verfassungsrechtlich ist die Möglichkeit der Strafbefreiung durch Selbstanzeige, wie der Verfassungsgerichtshof betont, geboten. Einerseits ist der Steuerpflichtige aber verpflichtet, die steuerrechtlich relevanten Umstände offenzulegen und zu berichtigen, und so auch strafbare Handlungen einzubekennen, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben. Andererseits darf niemand dazu gezwungen werden, sich selbst einer Straftat zu beschuldigen.

Im Hinblick auf das Verbot des Zwangs zur Selbstbeschuldigung ist eine solche Verpflichtung nur zulässig, wenn das Gesetz die Möglichkeit vorsieht, durch eine Selbstanzeige straffrei zu werden. Wird der Steuerpflichtige von den Steuergesetzen zur Anzeige verpflichtet, dürfen diese Angaben zwar zur Einhebung der Steuern verwendet werden, nicht aber zur Bestrafung. Würde der Selbstanzeige daher die Möglichkeit der Strafbefreiung genommen, müsste auch die steuerrechtliche Berichtigungspflicht fallengelassen werden. Gerade auf diese sind die Finanzämter aber zur Erschließung steuerpflichtiger Einkommen angewiesen.

Traditionell räumt der österreichische Gesetzgeber der Schadensgutmachung in bestimmten Fällen einen höheren Stellenwert als der Bestrafung des Täters ein und beschränkt dies keineswegs auf das Steuerstrafrecht. Auch für Vermögensdelikte wie Diebstahl oder Betrug sieht das Strafgesetzbuch die Möglichkeit vor, durch tätige Reue straffrei zu werden.

Dazu muss der Täter den Schaden gutmachen, bevor die Behörden von seinem Verschulden erfahren haben. Es ist daher unrichtig, die Selbstanzeige als eine besondere Privilegierung der Steuersünder zu sehen. Sie bezweckt vielmehr vor allem den Schutz des Steueraufkommens des Staates, dem Priorität gegenüber der Bestrafung des Täters eingeräumt wird.

Dass zwingend zu verhängende Strafzuschläge tatsächlich eine zusätzliche abschreckende Wirkung entfalten könnten, lässt sich empirisch nicht nachweisen. Abschreckend wirken sollte neben den angedrohten Strafen für Steuerhinterziehung vor allem das Entdeckungsrisiko durch die Behörden. Die Vorhersage von Mehreinnahmen in der Höhe von 50 Millionen Euro im Jahr ist jedenfalls rein spekulativ. Wird die Selbstanzeige nämlich für die Steuersünder unattraktiver gemacht, ist auch zu befürchten, dass weniger Selbstanzeigen gemacht werden und damit geringere Steuereinnahmen zu erwarten sind.

Bewährtes Instrument

Es hat sich im österreichischen Strafrecht bewährt, den Täter nicht in erster Linie durch die Verhängung einer Strafe zur Herstellung des Rechtsfriedens zu bewegen, sondern ihn dazu zu motivieren, ohne Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden dem Fiskus neue Steuerquellen zu eröffnen. Die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige zu beseitigen hieße, ein bewährtes fiskalisches Instrument zu beschneiden. (Robert Kert, DER STANDARD, 31.3.2014)