STANDARD: Was braucht eine Begegnungszone, damit sie funktioniert?

Gansterer: Sie braucht gute, selbsterklärende Gestaltung. Deshalb ist Planung wichtig. Es reicht nicht, ein Schild aufzustellen. Die Begegnungszone ist das Bindeglied zwischen Fußgängerzone und Tempobeschränkung, deshalb braucht es ein gewisses Verhältnis von Fußgängern und Radfahrern zu Autofahrern. Wenn das nicht gegeben ist, kann man gleich eine Fußgängerzone machen. Wenn zu wenige Fußgänger die Fahrbahn queren, werden sich die Autofahrer nicht ans Tempolimit halten. Die Gehsteigkante gehört jedenfalls entfernt, und oft braucht es Maßnahmen, um Tempo rauszunehmen, wie einen verschwenkten Fahrbereich oder Möblierung.

STANDARD: Wie werden denn die Begegnungszonen angenommen? In Wien gab es ja um die Mariahilfer Straße große Verwirrung.

Gansterer: Es gibt auch Beispiele, da haben die Leute gar nicht mitbekommen, dass sie sich in einer Begegnungszone befinden - aber sie funktioniert trotzdem, weil sich die Menschen den öffentlichen Raum zu eigen machen. Aus Sicht der Behörden ist die Frage: Wie kann etwas, das gestalterisch optimal wäre oder in der Praxis schon funktioniert, rechtskonform verordnet werden? Den Leuten ist egal, ob das eine Bodenmarkierung laut Straßenverkehrsordnung ist oder ob sie Info-Charakter hat. Wenn die Gestaltung selbsterklärend ist, dann wird die Begegnungszone angenommen.

STANDARD: Gibt es in Begegnungszonen mehr Unfälle als anderswo?

Gansterer: Das wird in der Unfallstatistik nicht extra ausgewiesen. Aus Deutschland und der Schweiz wissen wir, dass die Verkehrssicherheit in funktionierenden Begegnungszonen steigt. Unfallfolgen sind außerdem geringer, wenn das Tempo gering ist. Deswegen waren wir bei der Einführung nicht so glücklich darüber, dass in Österreich eine Begegnungszone auch mit Tempo 30 eingerichtet werden kann. Da ist die Bremsbereitschaft deutlich geringer als bei Tempo 20.

STANDARD: Symbolisiert die Begegnungszone für Sie ein neues Miteinander in der Stadt?

Gansterer: Sicher, da geht es um Mentalitätsfragen, aber auch um Effizienz. In Städten sind mehr Leute unterwegs. Wenn öffentlicher Raum geteilt genutzt wird, ist das flächeneffizient. Da gibt es ein Umdenken, dass es nicht immer Reservate für jeden Verkehrsteilnehmer braucht, wo jeder so schnell fahren kann wie möglich. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 31.3.2014)