Wien - Max und Moritz ist ohne jeden Zweifel Wilhelm Buschs populärste Bildergeschichte. Zuverlässig verbreitet sie Angst und Schrecken in den Kinderstuben. Nun ist es richtig, dass sich die beiden jungen Herren asozial betragen. Es ist kein schöner Wesenszug, die Erdrosselung von Hühnern billigend in Kauf zu nehmen. Der Wiener Dramatiker Bernhard Studlar hat jetzt genauer nachgefragt. Mit Max und Moritz - Da ist doch was im Busch! ist ihm die völlig unerwartete Ehrenrettung zweier notorischer Unruhestifter gelungen. Viele Kinder sollten sich die Uraufführung von Studlars hintersinnigem Gedankenspiel im Erdberger Rabenhof-Theater zu Gemüte führen. Jede Anwandlung von Angst verschwindet zuverlässig.

Die Akzente sind neu gesetzt in "Wilhelmsbusch". So heißt der Schauplatz eines Spiels, in dem die Übermacht der Erwachsenen Max (Paul König) und Moritz (Michael Schusser) zum Ungehorsam verleitet. "Nur weil wir bunt sind", werden die beiden von den Bewohnern der "boltewistischen" Diktatur bis aufs Blut gereizt. "Boltewismus" leitet sich von Witwe Bolte ab. Nur dass die Bolte als Person keine Rolle mehr spielt. Die Respektspersonen huldigen ab jetzt dem "Heiligen Huhn". Dieses blickt missgünstig aus dem Fenster eines Schwarz-Weiß-Hauses (Ausstattung: Heike Mirbach) und verlangt ewige Anbetung.

Echo auf Kubrick

Gekonnt dämlich guckt der Gendarm (Fatih Sentürk) aus seiner gebleichten Montur. Bernhard Majcen glänzt in einer Fülle von dämonischen Rollen. Wobei man seinem Lehrer Lämpel, gegeben als Echo auf eine Stanley-Kubrick-Figur, gerne die Krone zuerkennen möchte.

Roman Freigaßners Inszenierung moussiert wie frisch gezapfter Kindersekt. Indem Studlar die Wurzel aller "Übeltäterei" bloßlegt, rettet er den zynischen Esprit der Busch'schen Vorlage ins Heute herüber. Als Urheber des ganzen Schlamassels aber wird der Autor identifiziert (Majcen). Wilhelm Busch ist zu "Buschmann" geworden. Wahnsinn verfinstert seine Züge. "Im Namen des Hahns, des Huhns und des heiligen Eis": Die Kinder waren von der Neudichtung hörbar angetan. Und im Rabenhof herum ging ein freudiges Gebrumm! (Ronald Pohl, DER STANDARD, 29.3.2014)