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Marine Le Pen, die Parteichefin des rechtsradikalen Front National, durfte sich schon über die Ergebnisse der ersten Runde der Kommunalwahlen freuen.

Foto: REUTERS/Charles Platiau

Der Schock sitzt tief, die Reaktion ließ auf sich warten. Erst mehrere Tage nach dem ersten Durchgang der Gemeindewahlen, bei dem der rechtsextreme Front National (FN) von Marine Le Pen ortsweise über 50 Prozent der Stimmen erhalten hatte, suchen die etablierten Parteien den Rückschlag zu parieren. In den Pariser Hauptquartieren wird darüber debattiert, wie die "Frontisten" am Einzug in mehrere Rathäuser gehindert werden können - so in Forbach in Lothringen oder in Saint-Gilles, Fréjus, Perpignan oder Avignon im Süden. In Nordfrankreich ist es bereits zu spät: Dort wurde der FN-Kandidat Steeve Briois im ersten Wahlgang mit 50,2 Prozent der Stimmen zum neuen Bürgermeister von Hénin-Beaumont gewählt.

Zähneknirschen und Tränen

Die Sozialisten versuchen der Gefahr von rechts mit einer "republikanischen Front" zu begegnen: Sie ziehen im Camargue-Ort Saint-Gilles ihren Kandidaten Alain Gaido zurück, damit der bürgerliche Bewerber gegen den mit 42 Prozent bestplatzierten FN-Favoriten Gilbert Collard eine Chance hat. Dass die Linke vielenorts zur Wahl der konservativen "Union für eine Volksbewegung" (UMP) aufruft, sorgt an der sozialistischen Basis für Zähneknirschen - oder wie in Fréjus an der Côte d'Azur für Tränen der zum Verzicht gezwungenen Kandidatin der Sozialisten, Elsa Di Méo. In Béziers weigern sich die lokalen Sozialisten rundum, der Vorgabe aus Paris Folge zu leisten und sich zugunsten der UMP zurückzuziehen, um den Sieg des inoffiziellen FN-Kandidaten Robert Ménard – ein früherer Präsident von "Reporter ohne Grenzen" zu verhindern.

Die Bürgerlichen verweigern ihrerseits jeden Schulterschluss der republikanischen Kräfte gegen die Nationale Front. UMP-Vorsteher Jean-François Copé hat die Weder-noch-Parole ("ni ni") herausgegeben: Weder ein lokaler Rückzug zugunsten der Sozialisten noch zugunsten des FN. Das erhöht die Wahlchancen der Rechtspopulisten indirekt.

Sichtbar ist das in Avignon, der ehemaligen Papststadt (1309-1423) mit 90 000 Einwohnern, einem reichhaltigen touristischen Angebot, hoher Kriminalität und Armutsrate. Sein international renommiertes Theaterfestival ist nun gefährdet. Dessen Vorsteher, der bekannte Dramaturg Olivier Py, will auf keinen Fall mit einem FN-Bürgermeister zusammenarbeiten; lieber werde er das Festival an einen anderen Ort verlegen, erklärte er. Konservative Lokalpolitiker warnen, solche Widerstandsappelle seien kontraproduktiv.

Holland will "Lehren ziehen"

Ähnlich klingt es im Elysée-Palast in Paris. Staatschef François Hollande ließ durch seine Sprecherin verlauten, seine Regierung müsse auf die Wähler "hören" und aus dem ersten Wahlgang "die Lehren ziehen". Offenbar plant er schon in den nächsten Tagen Steuersenkungen, um ein weiteres Debakel bei den Europawahlen im Mai zu verhindern; laut Umfragen könnte der Front National dabei zur stärksten Partei Frankreichs aufsteigen. Um seiner Regierung neuen Elan vermitteln, will sie Hollande zudem nach der Stichwahl von Sonntag radikal umbilden. Vermutlich wird er auch Premierminister Jean-Marc Ayrault auswechseln. Favorit für die Nachfolge soll Innenminister Manuel Valls vom rechten Parteiflügel sein. Ihn leben aber die grünen Regierungspartner kategorisch ab. (derStandard.at, 29.3.2014)