Ein kultischer Seehund oder dessen Exkrement? Eine Bestattung im Sand? Mike Kelleys "SS Cuttlebone" (2000) ist Teil der Sammlung Herbert und derzeit im Mumok zu sehen.

Foto: P. De Gobert / Herbert Foundation

Wien - Weil sie "auf kreative Art" an der 1968er-Revolution teilnehmen wollten, begannen Annick und Anton Herbert, Kunst zu sammeln. Die belgischen Eheleute waren fasziniert von Konzeptkunst und Minimal Art; in diesen Strömungen sahen sie die relevantesten Fragen zur gesellschaftspolitischen Rolle der Kunst gestellt.

Seit mehr als 30 Jahren kaufen die Herberts Werke an, deren Intention es nicht selten ist, den klassischen Werkbegriff mitsamt dem Warencharakter auszuhöhlen. Die Eckpunkte ihrer Sammlung markieren dabei Marcel Broodthaers und Heimo Zobernig, dazwischen finden sich Namen wie Sol LeWitt, Franz West, Gerhard Richter oder Martin Kippenberger.

Zu den Vorzügen der Sammlung Herbert gehört ihre Fokussiertheit. Einzelne Künstler zu vertiefen war den Herberts wichtiger als eine breite Streuung von Positionen. Zudem gehörte es zum Anspruch des Paars, jeden "ihrer" Künstler persönlich zu kennen.

Aus diesem Grund erzählt die Herbert-Schau nicht nur von den Metamorphosen des Kunstbegriffs, sondern enthält auch drei "Mini-Retrospektiven". Musée à vendre pour cause de faillite - "Museum zu verkaufen wegen Konkurses" - heißt die Präsentation, für die die Herberts in einen Dialog mit der Sammlung des Mumok getreten sind.

Der Ausstellungstitel stammt aus dem institutionskritischen OEuvre von Marcel Broodthaers, der im Erdgeschoß zu Ehren kommt. Broodthaers wurde für die Herberts zum Impulsgeber, als er 1968 bei der Besetzung des Palais des Beaux-Arts in Brüssel als Anführer auftrat.

Der Belgier (1924-1976) gilt als wichtiger Protagonist dessen, was man salopp "Kunst über die Kunst" nennt. Im Mumok sind einerseits Werke zu sehen, in denen Broodthaers den Museumsbetrieb hinterfragt, etwa in Form einer Leinwand, die er mit Serien seiner Künstlersignatur überzog.

Ausgestellt ist aber auch die von René Magritte beeinflusste Arbeit Le Corbeau et le Renard - "Der Rabe und der Fuchs": Ein Video aus Worten und Bildern wird auf eine mit Text bedruckte Leinwand projiziert. Durch die Überlagerung der Zeichensysteme werden deren Ausdrucksmöglichkeiten vergleichbar gemacht. Dass Broodthaers von der Lyrik zur bildenden Kunst gekommen ist, illustriert ein Kunstbuch, in dem Textzeilen von Mallarmé zu schwarzen Rechtecken verwandelt sind.

Ein weiteres Standbein der Sammlung ist der US-Amerikaner Bruce Nauman (geboren 1941). Im Zwischenstock ist mit Musical Chairs eine Arbeit zu sehen, die dessen Bestrebungen illustriert, Minimal Art und Körperlichkeit zusammenzuführen: Ein Stahlträger hängt frei von der Decke und bildet zusammen mit zwei Stahlsesseln ein monströses, wie ein Foltergerät anmutendes Glockenspiel. Hier wird jene Gewaltsamkeit spürbar, die für Naumans OEuvre charakteristisch ist: Am liebsten ist es ihm, wenn Kunst den Betrachter wie ein Schlag ins Genick trifft, sagte er einmal.

Daneben sind die bloß aus einer Anweisung bestehende Arbeit Body Pressure oder das Video Good Boy Bad Boy vertreten. Alles ist in das flackernde Licht von Naumans Neonskulptur Sex and Death getaucht.

Kunst über Kunst sammeln

Die dritte Mini-Retrospektive betrifft den Amerikaner Mike Kelley (1954- 2012). Im Obergeschoß des Mumok breitet sich dessen Installation Lumpenprole aus: Eine riesige Häkeldecke ist über Haufen von Kuscheltieren ausgebreitet und lässt an kindliche Albträume und das "unter den Teppich Gekehrte" denken: Kelley thematisierte die dunkle Seite Amerikas, das Verdrängte einer kapitalistischen Kultur. Ausscheidungen sind ein wiederkehrendes Motiv.

Mit dem Ausgeschiedenen der Kunst hat Kelley in Memory Ware Flat #18 gearbeitet, einer überdimensionalen Collage von kleinteiligstem Kitsch. Mit Heavy-Metal-Motiven bunt bemalte Seidentücher zeugen von den Verbindungen des Performancekünstlers Kelley mit der Popkultur. (Roman Gerold, DER STANDARD, 28.3.2014)