Fast könnte man von einem Déjà-vu-Erlebnis sprechen, denn das Gericht in Wiener Neustadt und der Verhandlungsort, der dortige Schwurgerichtssaal, sind dieselben: Nach der Vertagung auf unbestimmte Zeit im Schleppereiverfahren gegen acht Flüchtlinge aus dem Umfeld der Asylwerberproteste fühlt man sich an den großen Tierschützerprozess der Jahre 2010 und 2011 erinnert; damals wurden 13 Aktivisten der Bildung einer kriminellen Organisation beschuldigt – und schlussendlich von diesem Vorwurf freigesprochen.

Die Ähnlichkeiten gehen dabei über jene der Örtlichkeit hinaus: Die Beschuldigten beider Verfahren stammen aus politisch aktivem Milieu. Die Anklagen sprachen – respektive sprechen – von schweren strafrechtlichen Verfehlungen. Doch die mit der Prozessführung beauftragten Richterinnen sahen sich jeweils mit groben Schwächen in der ermittelten Faktenlage konfrontiert.

Im Fall der Tierschützer wurden die entlastenden Beobachtungen einer verdeckten Ermittlerin von der Polizei und der Staatsanwaltschaft fast unterschlagen. Im Fall der schleppereiverdächtigen Flüchtlinge scheinen die Abhörprotokolle nicht zu halten, was die Anklage aus ihnen herausliest. Auch hier ist eine Ähnlichkeit erkennbar: dass der Wille zur Anklage ganz offensichtlich stärker als die Beweislage war oder ist – für die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft ein echtes Armutszeugnis. (Irene Brickner, DER STANDARD, 27.3.2014)