Dengler: "Zuerst erfährt man Neuigkeiten bei Twitter und Facebook, dann online, im Radio und Fernsehen. Und als Letztes kommt am nächsten Tag die Zeitung."

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Wien - Medienunternehmen dürfen sich gegen den technologischen Wandel nicht länger sträuben. In Zeiten von Smartphones in jeder Hosentasche, einbrechenden Werbeeinnahmen und stagnierenden Printabozahlen müsse man aus der "Schockstarre" erwachen, betonte NZZ-Chef Veit Dengler am Mittwoch in Wien. "Wir haben vor 20 Jahren begonnen, unser Produkt zu verschenken. Diese Rechnung geht nicht mehr auf."

Ende des Nachrichtenmonopols

Der österreichische Medienmanager, der seit Oktober vergangenen Jahres der NZZ-Mediengruppe vorsteht, referierte auf Einladung der International Advertising Association (IAA) über das "Ende des Nachrichtenmonopols". Tageszeitungen hätte den Anspruch darauf verloren: "Zuerst erfährt man Neuigkeiten bei Twitter und Facebook, dann online, im Radio und Fernsehen. Und als Letztes kommt am nächsten Tag die Zeitung." Vor diesem Hintergrund gelte es, sich dem "ständigen Innovationszwang" zu stellen.

"Das ist nichts Außergewöhnliches, anderen Branchen geht es auch so. Es geht um Prozess-, Technologie- und Kosteneffizienz. Das ist zwar nicht sexy, aber wesentlich für wirtschaftlichen Erfolg." Als Wege aus der Krise identifizierte der gebürtige Grazer drei Möglichkeiten, wobei "Boulevard als journalistische Norm" und E-Commerce-Angebote für seine Mediengruppe nicht infrage kommen würden. "Wir bauen stattdessen unser publizistisches Angebot aus, indem wir neue Medien und alle Kanäle einbeziehen. Ich bin überzeugt, dass es einen Markt gibt für Analysen, Kommentare und Hintergründe, die uns helfen, einzuordnen und zu verstehen, was in der Welt passiert."

Geschwindigkeit als Charme und Fluch

Nicht zuletzt die schnelllebige Onlinewelt von Twitter und Co bedarf aus Denglers Sicht einer zusätzlichen Kontextualisierung. "Die Geschwindigkeit neuer Medien ist ihr Charme, aber auch ihr Fluch." Mittels verlässlicher und verständlicher Informationen könne es gelingen, Leser zu binden - off- wie online. "Die Redaktion muss ihr Wissen ständig ergänzen und neue Technologien nutzen, um mit den Kunden in Dialog zu treten. Die Interaktivität neuer Medien eröffnet dafür Möglichkeiten."

Qualitätsjournalismus hat "eine bezahlte Zukunft"

Print werde zwar weiterhin einen Platz haben, aber Dengler machte keinen Hehl daraus, dass er bei künftigen Entwicklungen stark auf webbasierte oder mobile Angebote setzen möchte. "Die Musikbranche hat einen ähnlichen Umbau bereits erfolgreich hinter sich gebracht." Im Vordergrund müsse dabei stehen: "Unsere Produkte haben einen Preis. Den Grundfehler der letzten 20 Jahre können wir nicht weiter begehen." Die "Neue Zürcher Zeitung" halte derzeit bei knapp 17.000 Digitalabos, Tendenz steigend. "Autoportale kann jedes Unternehmen machen. Qualitätsjournalismus ist aber mehr als nur ein Geschäft. Ich bin überzeugt davon, dass Qualitätsjournalismus eine bezahlte Zukunft hat."

Der Erfolg müsse letztlich über eine "Produktdifferenzierung" und mittels auf Zielgruppen zugeschnittener Angebote passieren, glaubt Dengler, der sich bezüglich konkreter Ideen aber zurückhaltend zeigte. Entsprechende Technologien müsse man noch entwickeln und verstehen lernen. Gleiches gilt im Übrigen für das jüngst angekündigte NZZ-Projekt in Österreich, das federführend von Ex-"Presse"-Chefredakteur Michael Fleischhacker entwickelt werden soll. "Sie werden noch lange Zeit nichts sehen von uns", gab Dengler hier als vorläufige Devise aus. (APA, 26.3.2014)