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Peter Raddatz, wichtiger Entlastungszeuge des Burgchefs.

Foto: APA/EPA/ANGELIKA WARMUTH

Wien - Es ist eine juristische Spitzfindigkeit. Aber es wäre möglich, dass dem Burgtheater in absehbarer Zeit eine ungewöhnliche Premiere - und gleich zwei künstlerische Direktoren gleichzeitig - ins Haus stehen. Dann nämlich, wenn das Gericht Matthias Hartmanns Argumentation folgt, wonach die durch SP-Kulturminister Josef Ostermayer erfolgte Abberufung und die Entlassung durch Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer nicht nur unberechtigt, sondern unwirksam sind.

Im Bundestheater-Organisationsgesetz sei zwar die Bestellung durch den Minister geregelt, nicht aber die Abberufung. "Pkt 1 Abs 3 des Geschäftsführervertrages des Klägers vom 29. 9. 2006 sieht vor, dass der Kläger (nur) durch den Bundeskanzler (insofern in Einklang mit § 16 Abs 1 GembHG) jederzeit und ohne Vorliegen wichtiger Gründe abberufen werden kann", heißt es in der Klagsschrift, die von Hartmanns Anwälten Georg Schima und Katharina Körber-Risak diese Woche eingebracht wurde. Und wenn die Abberufung nicht wirksam ist, dann auch nicht die Entlassung.

Wenn Letztere dennoch wirksam wäre, so sei sie jedenfalls nicht gerechtfertigt - weshalb Hartmann auf Fortzahlung seiner Ansprüche bis 31. August 2019 pocht, in Summe knapp unter zwei Millionen Euro.

Anders als in Deutschland muss eine Fristlose in Österreich zunächst nicht begründet werden. In Hartmanns Entlassungsschreiben steht lapidar "aus wichtigem Grund". Selbst im parlamentarischen Kulturausschuss wurden keine konkreten Gründe dargelegt: Sie enthielten, so Ostermayer im Ausschuss, eine Risikoabschätzung für den Fall, dass Hartmann gegen die Entlassung klagt. Daher wurde von den Anwälten ein Fristsetzungsantrag eingebracht, innerhalb von 14 Tagen erwarte man eine detaillierte Begründung.

Hartmann habe jedenfalls seine Verantwortung als Burgchef wahrgenommen. Verunsichert durch schlechte Bilanzen trotz seines Sparkurses, habe er schon im Jänner 2011 den deutschen Theater- und Opernfinanzexperten Peter Raddatz zu Hilfe geholt.

An Eides statt

Raddatz hatte zunächst einen dreimonatigen Vertrag mit der Holding (Gage: 20.000 Euro). Zwischen 1. Oktober und 1. Juli 2011 sowie zwischen 25. Februar und 31. Juli 2013 wurde er vom Burgtheater direkt beauftragt und aus dem Burgbudget bezahlt (insgesamt 120.000 Euro). Unterfertigt sei der Vertrag mit Raddatz von Hartmann und Stantejsky. Anders als von Georg Springer behauptet, habe Raddatz den Bundestheaterchef wiederholt auf die prekäre Situation hingewiesen.

In einer eidesstattlichen Erklärung schreibt Raddatz, er habe am 19. Juni 2011 "bei einem Meeting in der Holding (Hanuschgasse), gegenüber dem Direktor der Bundestheater-Holding und Vorsitzenden des Aufsichtsrates des Burgtheaters (Georg Springer, Anm.), die hohen Verbindlichkeiten von 13,6 Millionen Euro zum Ende der Spielzeit 2008/09 angesprochen. Auf meinen Hinweis, dass das Burgtheater eigentlich insolvent sei, entgegnete Herr Dr. Springer, dass die Liquidität des Burgtheaters gesichert sei, dies nicht zuletzt über das Cash-Pooling der Holding (also das Umschichten von Geldern zwischen Burg, Staats- und Volksoper, Anm.)."

Und im April 2012 habe er auf die Abschreibpraktiken zur Verzerrung der Vermögensverhältnisse hingewiesen, am 3. Mai desselben Jahres einen ersten schriftlichen Abschlussbericht geliefert. Allerdings sei Raddatz mit Anfragen an den Aufsichtsrat, die Holding oder die Wirtschaftsprüferin von PWC hingehalten und "ans Salzamt geschickt" worden". Schima und Körber-Risak: "Der Burgtheaterchef konnte als Geschäftsführer nicht mehr tun, als den Eigentümer - also die Bundestheater-Holding - zu informieren. Raddatz wird sicher eine wichtige Rolle als Zeuge spielen. Faktum ist: Hartmann hat sich auf die Hinterbeine gestellt."

Bernhard Hainz, Anwalt des Burgtheaters und der Bundestheater-Holding, sieht darin eine "reine Vernebelungstaktik". Hartmann habe nicht nur Kenntnis vom "System Stantejsky" gehabt, sondern sei auch "an diesem System selbst beteiligt" gewesen. Er habe seit Juli 2009 Kenntnis von der Schwarzgeldpraxis der früheren Burgtheater-Geschäftsführerin gehabt. Hartmann ließ sich sein Vorbereitungshonorar zumindest zum Teil direkt an der Kasse bar auszahlen.

Interne Revision

Interessant für den Rechtsstreit dürfte eine interne Revision der Holding bezüglich Bargeldzahlungen im Jahr 2010 in allen drei ihr zugehörigen Häusern sein. Der Revisionsbericht von 2011 schlug nur vor, die Kassenprüfung sollte von der kaufmännischen Geschäftsführung in eine Ebene darunter verlagert werden. Sonst: alles bestens, keine Auffälligkeit.

Und wie agierte man eine Ebene darüber? Die damalige Kulturministerin Claudia Schmied verlängerte am 14. Februar 2012 Hartmanns Vertrag. Raddatz hat da bereits des Öfteren Bedenken am Gebaren deponiert. War die Exbankerin wirklich unwissend? Nahm sie ihre politische Verantwortung wahr? Fragen über Unklarheiten. Nicht alle wird das Gericht klären können. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 27.3.2014)