Bild nicht mehr verfügbar.

Demo in New York gegen die Steuerschlupflöcher (Loopholes) für Großkonzerne.

Foto: Reuters

Wien - Wer die Modelleisenbahn für sein Kind oder die DVD für den Filmabend zu zweit bei Amazon bestellt, wird auf der Rechnung des Onlinehänders darauf aufmerksam gemacht, wo man gerade eingekauft hat: in Luxemburg. Der Kaufvertrag kommt mit der "Amazon EU S.a.r.l." mit Sitz im Großherzogtum zustande.

Dass der Kunde in Österreich sitzt und die Ware von einem Logistikzentrum in Deutschland versand wird, spielt keine Rolle. Steuerrechtlich verbucht Amazon das Geschäft ausschließlich in Luxemburg. Nur dort fällt für den Konzern Gewinnsteuer an. Dank einer komplexen Schachtelkonstruktion in dem EU-Land zahlte Amazon in den vergangenen Jahren nur marginale Profitsteuern. Doch das könnte sich bald ändern.

OECD-Entwurf

Die Industriestaatenorganisation OECD hat einen Entwurf für eine Reform des internationalen Steuerrechts vorgelegt. Erklärtes Ziel der OECD ist es, Gewinne von Unternehmen der digitalen Ökonomie künftig effektiver zu besteuern. Auch wenn sie nicht explizit erwähnt werden, zielt der Reformvorschlag auf IT-Giganten wie Amazon und Google ab.

Eines der großen Probleme bei der Besteuerung der IT-Branche ist, dass das internationale Steuerrecht vor dem Internetzeitalter konzipiert wurde. Damit Konzerngewinne in einem Land erfasst werden können, muss das Unternehmen in dem betreffenden Staat eine permanente Niederlassung haben. Das ist in der globalisierten und digitalisierten Welt oft nicht mehr der Fall.

Amazon kann via Luxemburg die halbe Welt beliefern und braucht dank des Internets kein Filialnetz. Google arbeitet ähnlich: Kauft ein österreichisches Unternehmen Werbung beim IT-Riesen, kommt der Vertrag mit Google Irland zustande. Die Gewinne des Konzerns aus dem Europageschäft fallen in Irland an, dort liegt der Umsatz bei 15 Milliarden Euro. Lokale Niederlassungen dagegen helfen nur beim Marketing. Der österreichische Google-Umsatz lag zuletzt bei 2,7 Millionen Euro.

Ausnahmen fallen weg

Die OECD will die Definition der Konzernniederlassung für die IT-Branche anpassen: Künftig soll die "digitale Präsenz" eines Unternehmens in einem Land ausreichen, um eine Steuerpflicht zu begründen. Um diese fiktive Niederlassung im Steuerrecht zu begründen, wird es genügen, wenn der IT-Konzern in dem Land viele Kunden zählt und seine Dienstleistungen dort verbreitet sind, heißt es in dem OECD-Papier, das dem STANDARD vorliegt. Wie die Zahlung abgewickelt wird und wo die Konzernzentrale liegt, wäre gleichgültig.

Weiters neu: Bisher galten Logistikzentren nicht als Niederlassungen. Diese Ausnahme soll wegfallen. Dies dürfte Amazons Steuerpflichten in Ländern mit großen Lagerhäusern (Deutschland, Großbritannien) erweitern.

Die OECD kündigt auch Reformen bei Patentgebühren an. Unternehmen wie Google argumentieren, dass der Großteil ihrer Erträge durch immaterielle Vermögenswerte, also die Technologie hinter der Suchmaschine, entsteht. Google-Töchter zahlen für die Nutzung der Technologie Gebühren an eine Niederlassung auf den Bermudas. Solche Zahlungen sollen begrenzt werden.

Die meisten Regeln, die geändert werden sollen, finden sich in tausenden bilateralen Steuerabkommen, die auf alten OECD-Mustern basieren. Damit diese Verträge nicht einzeln geändert werden müssen, will die OECD ein internationales Abkommen vorlegen, sagt Grace Perez-Navarro, Steuerexpertin der Organisation. Der Vorschlag soll im September 2014 fertig sein.

Darüber, wie viel Geld den Staaten durch die aggressive Steuerplanung von Konzernen entgeht, gibt es nur Schätzungen. Laut Credit Suisse gibt es die größten Schlupflöcher in der patentintensiven Pharmaindustrie. Platz zwei geht an die IT-Branche. Den jährlichen Steuerentgang beider Sektoren schätzt die Bank auf mehr als 40 Milliarden Euro im Jahr. (András Szigetvari, DER STANDARD, 26.3.2014)