SA-Aufmarsch in Wien, Dusika in der ersten Reihe (links). Später verharmlost er seine Nazi-Vergangenheit.

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Nach Dusikas Tod 1984 wird das Hallenstadion im Wiener Prater nach ihm benannt.

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Wien - Es mag einiges aussagen über Österreich, wie langsam auch in diesem Fall die Mühlen mahlen. Im Juli wird es ein Jahr her sein, dass eine Historikerkommission unter Leitung von Oliver Rathkolb nach Prüfung von 159 "historisch kritischen" Namen berichtete, dass Franz "Ferry" Dusika einer 28-köpfigen "Schlüsselgruppe" zugerechnet wird, bei der man "nicht zur Tagesordnung übergehen sollte". Sieben Monate danach hat sich, wie das Magazin Profil berichtete, nun das Bezirksparlament von Wien-Leopoldstadt für eine Umbenennung des Dusika-Stadions ausgesprochen. "Heuer", so heißt es, soll es so weit sein.

"Die Namensänderung ist meine geringste Sorge." Also spricht Otto Flum, der Präsident des Österreichischen Radsportverbands (ÖRV). Und er zeigt sich, obwohl profil erstmals im September 2012 und hernach auch andere Medien über Dusikas Vergangenheit berichteten, "überrascht" von den Entwicklungen. "Mit uns hat niemand geredet", sagt Flum. Und außerdem: "Eines muss man schon sagen: Dusika hat für den Radsport extrem viel getan. Damit, was er politisch gemacht hat, möchte ich mich mit meinem Jahrgang nicht mehr auseinandersetzen. Natürlich ist es okay, das zu hinterfragen, und ich wehre mich sicher nicht gegen einen neuen Namen. Aber wenn die Gemeinde Wien keine größeren Sorgen hat, ist sie zu beneiden."

Gerücht und Dementi

Die Gemeinde, meint Flum (Jahrgang 1949), habe natürlich größere Sorgen, diese würden die Sportinfrastruktur und insbesondere das Noch-Dusika-Stadion betreffen. "In Wien sollten sie sich Gedanken darüber machen, wie sie ihre Sportstätten betreiben." Im Radstadion tummeln sich nicht nur Radfahrer, sondern auch Leichtathleten und Turner. Vor allem die Leichtathleten klagen tatsächlich über ihre Trainingssituation im Winter. Wenn sie sich aufwärmen, tun sie das im Foyer, auf den Treppen und in den Gängen des Stadions. Laut Flum verdichteten sich zuletzt Gerüchte, das Radstadion könnte abgerissen und - vielleicht in der Seestadt Aspern - durch eine neue Arena ersetzt werden. Diese Gerüchte will Wolfgang Prochaska, stellvertretender Leiter des Sportamts (MA 51), nicht bestätigen. "Das Dusika-Stadion kommt in absehbarer Zeit nicht weg."

Alter Standort also und neuer Name. Das Radstadion soll nach einer Frau benannt werden, das entspricht dem Wiener Usus, auch neuen Straßen und Plätzen vorwiegend Frauennamen zu geben. Im zweiten Bezirk sucht man derzeit nach einer Radsportpionierin. 1893 hat in Österreich das erste Damenrennen stattgefunden, in den Annalen finden sich die Namen der Rennfahrerinnen Mizzi Wokrina und Cenci Flendrofsky. Auch Kaiserin Sisi und Kronprinzessin Stephanie radelten begeistert. Sisi-Stadion statt Dusika-Stadion? Hätte etwas, ist aber unwahrscheinlich. Die Grünen machten sich in einer Aktion vor dem Dusika-Stadion bereits für Elise Steininger als Patronin stark. Steininger (1854-1927), die 1893 den ersten Frauenradverein der Monarchie und wohl Kontinentaleuropas gründete, indes war Grazerin, erst kurz vor ihrem Tod zog sie nach Wien.

Trauzeuge von Zilk

Fünf Jahre nach Steiningers Tod, 1932, wurde Ferry Dusika (1908-1984) in Rom WM-Dritter, der erste von vielen großen Erfolgen. Seine Begeisterung für die Nazis - er war NSDAP-Mitglied und SA-Mann, hetzte in seiner Radsportzeitung gegen Juden, übernahm das Fahrradgeschäft des Juden Adolf Blum - spielte Dusika nach dem Krieg herunter. Zeit seines Lebens in Wien hochangesehen, machte er Helmut Zilk und Dagmar Koller den Trauzeugen. Nach Dusikas Tod 1984 erhielt Zilk die Dusika-Villa in Portugal, und das Wiener Hallenstadion erhielt den Namen Dusika-Stadion. Mag sein, auch das sagt über Österreich einiges aus. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 26.3.2014)