Wien - Handlungsbedarf beim Feinstaub hat die Kommission "Klima und Luftqualität" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien geortet. Verkehrsmaßnahmen gegen die Belastung durch die feinen, aber nachweislich tödlichen Partikel seien nur bedingt effizient. Gülle aus der Massentierhaltung und Holzheizungen wurden als immense Belastungsfaktoren ausgemacht.
Die urbanen Ballungsräume seien dabei nicht die Hauptverursacher. So wurde bei Messstellen in Wien festgestellt, dass beim grobkörnigen Feinstaub PM10 (Partikel in Mikrogramm bis zu zehn Millionstel Meter Größe pro Kubikmeter) ein Drittel der Belastung aus den Bundesländern und ein weiteres Drittel aus Nachbarländern kommt. "Es ist notwendig, Maßnahmen großräumig umzusetzen. Der Rückgang von Dieselemissionen aufgrund von Partikelfiltern wird nicht ausreichen, um den WHO-Grenzwert einzuhalten", folgerte Markus Amann, Mitglied der Kommission.
Bei den genannten, bisher aber vernachlässigten Quellen wie Gülle und Holzheizungen seien die nötigen Schritte relativ simpel. "Pellets statt Holz bei neuen Heizungsanlagen, die Abdeckung von Gülleanlagen bei landwirtschaftlichen Großbetrieben sowie die bodennahe Ausbringung der Gülle", so Amann. Die landwirtschaftlich genutzte Gülle sei durch die Ammoniakverdunstung problematisch, erläuterte der Experte, da durch das stickstoffhaltige Gas die Bildung sogenannter Sekundärpartikel erfolge.
Strengere Grenzwerte
In Österreich, wo die Feinstaubgrenzwerte notorisch überschritten werden, würde das laut Amann nur landwirtschaftliche Großbetriebe betreffen, die rund zehn Prozent ausmachen würden. Hoffnung setze man zudem in den EU-Kommission vorgeschlagenen Aktionsplan, der strengere Grenzwerte in den Mitgliedstaaten vorsieht - nicht zuletzt wegen der Kosten für die nationalen Gesundheitssysteme - da die vorgeschlagenen Maßnahmen einer internationalen Umsetzung bedürfen.
Die deutliche Verringerung der Ammoniakemissionen und damit der Sekundäraerosolbildung, die derzeit mit 30 bis 40 Prozent zur PM2.5-Belastung in Österreichs Städten beiträgt, könnte auf die Hälfte reduziert werden. Diese gefährlichen Kleinstpartikel von weniger als 2,5 Mikrometern können in Lungen und Blutkreislauf eindringen. "Jüngere Studien berichten auch von einer Schädigung der Hirngefäße und Intelligenz- sowie von Gedächtnisdefiziten bei Kindern" so Manfred Neuberger vom Institut für Umwelthygiene der MedUni Wien.
Zu wenig Messstellen
Nachteilig sei in diesem Zusammenhang, dass in Österreich zwar die PM10-Werte flächendeckend gemessen werden, die PM2.5-Belastung jedoch nur bei sehr wenigen Messstellen, wobei hier der WHO-Grenzwert ebenfalls notorisch überstiegen wird. Die PM2.5 Belastung betreffe dabei nicht nur Risikogruppen, sondern die gesamte Bevölkerung.
Tödliche Folgen einer Kurzzeitbelastung mit PM2.5 sind laut Studien in Graz, Linz und Wien nachgewiesen. Mit einer Zunahme von PM2.5 um zehn Mikrogramm pro Kubikmeter stiegen in Linz noch am selben Tag die Rettungseinsätze wegen Notfällen - Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen - um sechs Prozent. Insgesamt stiegen in den drei genannten Städten die entsprechenden Spitalsaufnahmen und Sterbeziffern. Der Sterblichkeitsanstieg war in Wien am selben Tag noch nicht signifikant, wohl aber unter Berücksichtigung der Spätfolgen bis zu zwei Wochen, als die Sterblichkeitszunahme bei Herzinfarkt und Schlaganfall je fünf Prozent und bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sogar neun erreichte, berichtete Neuberger. (APA, 24.3.2014)