Veronika Kittel zeigt Kindern, was es im Wald zu entdecken gibt.

Foto: Katsey

Was zieht man an im Wald? Richtig! Feste Schuhe." Manchmal muss die Waldpädagogin Veronika Kittel ganz von vorn anfangen. Aber an diesem kalten Tag stehen die Kinder gut ausgerüstet mit Stiefeln und Anorak am Stadtwanderweg zur Sophienalpe. Die Schülerinnen und Schüler einer zweiten Klasse aus einer Privatschule im dritten Wiener Gemeindebezirk sind zum zweiten Mal mit Kittel unterwegs. Diesmal werden sie keine nassen Füße bekommen.

Sie gehen in einem Jahresprojekt viermal mit der jungen Frau in den Wald, um zu lernen, was für viele Landkinder selbstverständlich ist: in der Natur zu spielen und sich in ihr zurechtzufinden. Dass hier an mancher Stelle Nachholbedarf herrscht, zeigt sich daran, dass einige Achtjährige schon auf den ersten Metern durch den Hohlweg purzeln. Sie sind es schlicht nicht gewöhnt, auf dem unebenen Grund zu gehen.

Erfahrungen machen

"Seht ihr? Da kommt eine Wurzel raus", sagt Kittel und zeigt den Kindern eine Buchecker. "Die könnt ihr knabbern, aber nicht zu viel, sonst bekommt ihr Bauchweh." Die 28-jährige studierte Landschaftsplanerin arbeitet seit 2008 als selbstständige Wald- und Wildnispädagogin. Dass es so etwas gibt, hat sie auf einem Aushang an der Universität für Bodenkultur erfahren, die zertifizierte Ausbildung absolvierte sie in acht Monaten beim Verein für Waldpädagogik. "Die meisten, die das machen, sind Förster", erzählt sie und lacht, "aber nicht alle von denen können mit Kindern umgehen."

Sie selbst macht, seit sie 16 war, Kindersport- und Ferienlagerbetreuung. Das merkt man. Sie fordert die Kinder auf, ihr zu zeigen und zu bringen, was ihnen auffällt. Eine findet ein herabgefallenes Vogelnest, ein anderer ein Schneckenhaus. Oft beantwortet sie die Fragen der Kleinen mit einer Gegenfrage: "Was glaubst du?" oder "Wonach sieht es aus?"

"Coyote-Teaching", nennt sie das. Das kommt aus der Wildnispädagogik und beruht auf der Annahme, dass die Kinder instinktiv mehr wissen, als sie zu wissen meinen. "Es geht um die Chance, Erfahrungen selbst machen zu dürfen", erklärt Kittel. Deswegen ist sie als Wildnispädagogin, zu der sie sich im Nationalpark Kalkalpen und in Bayern hat ausbilden hat lassen, noch lieber unterwegs als als Waldpädagogin. Was genau der Unterschied ist? "Als Waldpädagogin habe ich drei Stunden Zeit, zum Beispiel um zu sagen: Das ist eine Eiche. Schau einmal, was hat sie denn für Blätter und was für eine Rinde? Als Wildnispädagogin kann ich mit den Kindern auch Feuer machen oder sie schnitzen lassen. Natürlich kann ich mich dabei in den Finger schneiden, aber das ist das, was uns in Erinnerung bleibt."

Nie ein Stadtkind gewesen

Nicht alle Kinder sind gleich glücklich im Wald. Schon nach einer Viertelstunde will der Erste eine Pause. Das Wichtigste ist die Jause. Das weiß Kittel und lässt die Kinder ein Lager aus Ästen bauen, in dem sie gemeinsam essen und trinken. Da sind alle begeistert. "Für die Kleinen reicht es oft schon, ein Loch buddeln zu dürfen. Da packe ich meine Unterrichtsmaterialien gar nicht aus", erklärt die burschikose Frau, während sie eine Thermoskanne aus ihrem Rucksack holt.

Sie passt ihr Programm den Wünschen der Lehrer und den Bedürfnissen der Kinder an. Für einen Ausflug wie diesen bekommt sie pro Kind fünf Euro, nicht viel angesichts der Tatsache, dass sie jeden Termin offiziell anmelden und auch für die Benutzung des Waldes eine Gebühr zahlen muss. Nur als Waldpädagogin kann sie nicht leben.

Deswegen bietet sie auch Familiencamps, Einführungswochenenden in Wildwissen und das "Klassenzimmer Natur" für Schulklassen an. Als Landschaftsplanerin reicht ihr Portfolio von Skipistenbegrünung bis zur Grabgestaltung. Ihre Leidenschaft ist und bleibt der Wald. Schon als Kind hat sie mit ihren beiden älteren Geschwistern jede freie Minute dort verbracht, gleich hier um die Ecke in Hütteldorf. "Ein Stadtkind war ich nie", sagt sie, die Bergschuhe hat sie eigentlich immer an. Das glaubt man ihr sofort. (Tanja Paar, Family, DER STANDARD, 16.4.2014)