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Akupunktur ist eine Option bei allergischer Rhinitis: Das haben Studien ergeben.

Foto: dpa/bernd thissen

Für tausende Österreicher beginnt wieder die schlimme Zeit. Ihre Augen sind rot und jucken, sie niesen und die Nase rinnt. Es sind die Symptome von allergischer Rhinitis, dem Heuschnupfen. 17 bis 29 Prozent der Menschen in Europa sind betroffen.

Medikamente sind zwar wirksam, aber die Therapie aufwändig: Immer muss man die Arzneimittel bei sich haben. Manchen helfen sie nicht, einige klagen über Nebenwirkungen, obwohl Medikamente heute viel verträglicher als früher sind. Kein Wunder, dass Heuschnupfengeplagte Alternativen suchen. Fast jeder Zweite probiert komplementäre Therapien aus, 18 Prozent davon Akupunktur.

Erfolg bei gut 70 Prozent der Patienten

"Ich empfehle Akupunktur, sie wirkt bei mehr als 70 Prozent der Patienten", sagt Benno Brinkhaus, kommissarischer Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Charité in Berlin. Brinkhaus veröffentlichte vor kurzem die dritte Akupunkturstudie zu Heuschnupfen (Annals of Internal Medicine 2013, Band 158, S. 225). 422 Patienten mit Allergie gegen Birken- oder Gräserpollen durften bei Bedarf ein antiallergisch wirkendes Medikament, ein Antihistaminikum, nehmen.

Nach dem Zufallsprinzip bekamen sie dann entweder keine weitere Behandlung, oder sie wurden zwölfmal mit "echter" Akupunktur behandelt oder mit Sham-Akupunktur; bei Letzterer sticht der Arzt an Punkten, die nicht den klassischen Akupunkturpunkten entsprechen. Damit kann man herausfinden, ob es eine Rolle spielt, wo der Arzt sticht. Nach acht Wochen maßen die Forscher bei "echt punktierten" Patienten öfter eine bessere Lebensqualität als bei jenen mit Sham-Akupunktur oder ohne Akupunktur.

Außerdem brauchten manche deutlich weniger Antihistaminika. "Besonders beeindruckt hat mich das Ergebnis bei einer Kontrolluntersuchung im zweiten Jahr", sagt Brinkhaus. Ohne weitere Akupunktur hatten die Probanden der "echten Akupunkturgruppe" immer noch eine bessere Lebensqualität und nahmen weniger Medikamente ein. "Das weist darauf hin, dass es im Körper zu langfristigen Veränderungen kommt."

Entzündung reduzieren

Inzwischen gäbe es deutliche Hinweise, dass Akupunktur Entzündungsbotenstoffe und Nervensignale beeinflusst, die in allergische Reaktionen involviert sind, erklärt Florian Pfab, Dermatologe und Akupunkteur an der Technischen Universität München, der an der Studie beteiligt war. Akupunktur beeinflusst Bereiche im Gehirn, die allergische Reaktionen verarbeiten und bewirken, dass das Immunsystem weniger heftig reagiert. Bei einem Teil der Studienpatienten entnahm das Forscherteam Nasensekret und Blutproben vor und nach den jeweiligen Therapien, um den Wirkmechanismus zu untersuchen. "Die Proben werden gerade ausgewertet", sagt Pfab, er sei gespannt.

Während Forscher aus Schweden und Großbritannien keinen Unterschied zwischen echter und Sham-Akupunktur fanden, werden Brinkhaus' Ergebnisse von zwei Studien aus Südkorea und Australien bestätigt. Kritiker bleiben deshalb skeptisch, auch weil Sham nicht als "echte" Placebokontrolle gilt. "Mich überzeugen die Ergebnisse, dass Akupunktur etwas im Körper bewirkt, nicht", sagt Werner Aberer, Vorstand der Klinik für Dermatologie an der Med-Uni Graz. "Die Wirkungen kommen wohl vor allem durch den Placeboeffekt zustande: Den Patienten geht es allein durch das Nadelstechen und den Glauben daran besser."

Die Placebowirkung sei Teil jeder Form von Medizin, auch klassischer Schulmedizin, sagt Günther Malek, Allgemeinmediziner und Gründer des Zentrums für Integrative Medizin in Wien. Er ist überzeugt, dass Akupunktur einen spezifischen Effekt hat. In der Pollensaison akupunktiert Malek pro Woche 20 bis 30 Patienten. Acht bis zwölf Sitzungen sind empfohlen, viele Patienten brauchen im zweiten und dritten Jahr weniger. "Den meisten geht es danach deutlich besser", sagt Malek. Viele Skeptiker seien überrascht, wie gut das funktioniert, sagt er. Malek passt die Akupunktur individuell an, abhängig davon, ob jemand akute Beschwerden hat oder präventiv aktiv werden will.

Achtung Etagenwechsel

Trotz seiner Skepsis sieht Allergologe Aberer aber auch keinen zwingenden Grund, von Akupunktur abzuraten. "Die Therapie hat so gut wie keine Nebenwirkungen, und wer die Zeit und das Geld dafür hat - warum nicht?" Er warnt davor, Heuschnupfen auf die leichte Schulter zu nehmen. "Viele halten es nur für eine unangenehme Begleiterscheinung des Pollenfluges, und wenn sich die Beschwerden mit Medikamenten oder Akupunktur bessern lassen, sind sie glücklich. Aber damit lässt sich der Etagenwechsel nicht verhindern, also das Fortschreiten der Krankheit zu Asthma. Das kann man nur mit einer Immuntherapie erreichen."

Habe jemand mehr als zwei Jahre Heuschnupfen, könne er die auslösenden Pollen nicht meiden und brauche er Medikamente, sollte jeder Heuschnupfengeplagte ernsthaft darüber nachdenken.

Zu Malek kommen immer wieder auch Patienten, denen die Immuntherapien nicht viel geholfen haben. "Sie profitieren sehr", sagt er, einen Versuch sei es Wert, denn Akupunktur und Immuntherapie ließen sich auch gleichzeitig machen. Aber auch er gibt aber zu bedenken, dass die Nadeln kein Allheilmittel sind. "Ärzte sollten nur dann akupunktieren, wenn es Sinn hat." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 25.3.2014)