Es kam, wie es die etablierten Parteien insgeheim befürchtet hatten: Bei der ersten Runde der Kommunalwahlen in Frankreich erreichte der rechtsextreme und EU-feindliche Front National (FN) das beste Ergebnis seiner Geschichte, in etlichen Gemeinden im Süden oder an der deutsch-französischen Grenze wurde er sogar stärkste Partei und wird wohl auch die Bürgermeister stellen. Ein Rathaus in der nordfranzösischen Industriestadt Hénin-Beaumont fiel sogar schon in der ersten Runde an die Rechten.

Nach der zweiten Runde Ende März könnten bis zu 1.000 FN-Kandidaten in Gemeinderäten sitzen, bisher waren es nicht einmal 50. Analysten hatten vor den Kommunalwahlen gemutmaßt, dass Parteichefin Marine Le Pen durch ihren Vorstoß zur Abschaffung des Euro auch in den Augen von politikverdrossenen Bürgern und Bürgerinnen zu weit gegangen sei. Dem Erfolg bei den Kommunalwahlen hat das augenscheinlich keinen Abbruch getan. Der sonst weichgezeichnete Rechtskurs der Tochter des Parteigründers hat Anklang gefunden.

Ganz klar: Hier ging es diesmal nicht um Kommunalpolitik, sondern um ein Statement gegen die unbeliebte linke Regierung unter François Hollande. Schlechte Wirtschaftswerte, Rekordarbeitslosigkeit von mehr als elf Prozent und eine hohe Kriminalitätsrate machen Hollande zum unbeliebtesten Präsidenten der Fünften Republik. Seine Zustimmungswerte lagen im Februar bereits bei unter 20 Prozent, das ist der niedrigste Wert eines Präsidenten seit 1958. Ähnlich geht es dem französischen Regierungschef Jean-Marc Ayrault. Rufe nach Regierungsumbildung werden laut.

Wirft man einen Blick auf jüngste Umfragewerte (Mitte März) zur Europawahl, ergibt sich für die etablierten Parteien Frankreichs ein ähnliches Bild. Mit 20 Prozent lag der FN nur knapp hinter der konservativen UMP (22 Prozent) und klar vor der sozialistischen Regierungspartei PS (16 Prozent). Setzt sich die Dynamik der Kommunalwahlen fort und wird der Front National  auf Europaebene sogar stärkste Partei, entstünde eine absurde Situation. Die stärkste französische Partei im EU-Parlament wäre dann im eigenen Land gerade mal mit zwei Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung vertreten. Auch wäre ein FN-Erfolg dieses Ausmaßes aus gesamteuropäischer Sicht ein trauriges Signal für die EU und die europäische Idee. Schließlich gehört Frankreich zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaft. Franzosen wie Jean Monnet, Robert Schuman, Charles de Gaulle, Jacques Delors oder Valéry Giscard d’Estaing gehören zu den Wegbereitern der EU oder waren bedeutende Tongeber der europäischen Integration.

Der "politische Schock", den Le Pen von den EU-Wahlen auslösen will, wäre ein umfangreicher. Le Pen, die auch jetzt schon im EU-Parlament sitzt, strebt die Gründung einer europhoben Gruppe im europäischen Parlament an. Fixstarter: Straches FPÖ, Vlaams Belang oder Gert Wilders mit seiner Freiheitspartei. Eines der wichtigsten anvisierten Ziele: der Kampf gegen die "europäische Ideologie". Das EU-Parlament als Plattform für rechte Parolen.

Das Szenario eines FN-Erfolgs wird nach den Kommunalwahlen auch deshalb wahrscheinlicher, weil Kommunalwahlen in Frankreich bisher kaum als Denkzettelwahlen für die Regierungen genutzt wurden. Der Anteil der Verzweifelten, Enttäuschten und Nichtwähler im französischen Wahlvolk ist größer als befürchtet, ihr Verhalten schwer einschätzbar. Die Reaktion der französischen Regierung wird nun entscheidend dafür sein, ob die Wählerschaft ihre Enttäuschung und Politikverdrossenheit auch auf die EU-Ebene weiterträgt. Die Zeit bis Mai reicht allerdings höchstens für Absichtsbekundungen. (Manuela Honsig-Erlenburg, 24. März 2014)