Die Burgruine Mödling, wo Veilchen und Geschichten blühen.

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Anreise: Mit der Bahn bis Mödling

Route: Mödling - Burg Mödling - Meiereiwiese - Matterhörndl (458 m) - Breite Föhre (379 m) - Goldene Stiege - Mödling

Einkehr: Gasthof Bockerl

Karte: freytag & berndt, WK 5011

Grafik: DER STANDARD

"Urlaub hab der winter. Und auch der kalte snee!" Mit diesen Versen des Minnesängers Neidhart von Reuental im Ohr steigen wir in Mödling aus dem Zug. Wir wollen einen Brauch rekonstruieren, der im Mittelalter Tradition war: das sogenannte Veilchenfest. Wer die erste Frühlingsblume des Jahres fand, bedeckte sie mit seinem Hut und markierte sie so für den Herzog. Dieser berief daraufhin einen Festzug ein und marschierte zum Fundort, um den Frühlingsboten und dessen Finder zu feiern.

Dem Flusslauf der Mödling folgend verlassen wir die Stadt und spazieren dem Ausflugsberg Anninger entgegen. Nach dem Viadukt wechseln wir ans linke Ufer und wandern bis zum Robert-Karpfen-Klettersteig. Gleich danach zweigt der gelb markierte Waldweg 48 nach links ab und führt uns in steilen Serpentinen zur Burgruine Mödling hinauf, wo ein Lehrpfad in die Geheimnisse der Gemäuer einweiht: Hier weilte nicht nur Walther von der Vogelweide, sondern angeblich auch sein größter Konkurrent Neidhart von Reuental. Letzterer gilt als erfolgreichster deutschsprachiger Musiker des Mittelalters - wegen seiner frechen Texte und ungewöhnlich flotten Melodien wird er häufig als wahrer Popstar des Minnegesangs rezipiert.

Schauplatz für einen Schwank

Da Neidhart die Burg Mödling von Herzog Friedrich II. als Lehen zugesprochen bekam, könnten die Wälder am Anninger durchaus der Schauplatz seines populärsten Werkes gewesen sein: Im Veilchenschwank spielte er selbst die Hauptrolle, um als Ritter Neidhart die ersten Veilchen des Jahres zu entdecken.

Wir tun es ihm gleich und begeben uns zunächst auf engem Pfad zur Meiereiwiese. Weiter bis zum Föhrenhof, danach dem gelb markierten Weg folgend durch eine steile Waldschneise zum Matterhörndl. Und tatsächlich: Um diesen turmartigen Felsblock mit einigen Kletterrouten blühen jetzt bereits die ersten Frühlingsboten.

"Do gieng ich hin und here, unz daz ich fand das blúmelein", besang Neidhart seine eigene erfolgreiche Suche. Voller Freude stülpte er einen Hut über das Veilchen und eilte sogleich zur Burg. Was Neidhart allerdings nicht wissen konnte: Er hatte ganz offensichtlich einen Neider. Hinter einem Felsen hatten sich ein Bauer versteckt, der ihn beobachtete. Als der Ritter verschwunden war, hob der Schelm den Hut hoch, pflückte das Veilchen und platzierte an dessen Stelle einen weniger frühlingshaft riechenden Haufen Kot.

Festzug zum Sommer

So wie der auf Ruhm und Ehre hoffende Neidhart kehren wir nun zur Burg zurück, wo er die frohe Kunde vom ersten Frühlingsboten überbrachte: "Ich han den sumer funden!" Jubel in der Burggesellschaft, die sich wenig später, angeführt vom stolzen Ritter und der Herzogin, als ausgelassener Festzug aus Adeligen und neugierigen Bürgern aufmachte, um das erste Zeichen des Frühlings zu feiern.

Beim Fundort angekommen formierte sich ein Kreis um den Frühlingsboten. Daraufhin kniete sich die Herzogin nieder und hob mit "ihrer schneeweisen handt" den Hut. Die Überraschung und die Empörung der Festgemeinde, aber auch das Gelächter und die Freude der Bauern angesichts des übelriechenden "Veilchens" kann man sich vorstellen.

Wir lassen die populären Zoten des Mittelalters nun endgültig hinter uns, wandern am Grenzweg zum idyllischen Rastplatz Breite Föhre und damit eindeutig in Richtung Romantik: Hier suchten bereits Franz Schubert und Ludwig van Beethoven Inspiration. Über den ruppigen Steinpfad der Goldenen Stiege geht es zum Gasthof Bockerl hinunter und durch Mödling zum Bahnhof zurück. (Thomas Rambauske, DER STANDARD, Album, 22.3.2014)