Alpbach - Das österreichische Gesundheitswesen steckt wie in fast allen Ländern dieser Welt in einer Kostenkrise. "Unsere Herausforderung ist es, die vorhandenen Mittel durch Strukturmaßnahmen optimal einzusetzen", sagte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (VP) am Mittwoch zum Abschluss der Alpbacher Reformgespräche. Sie schlug vor, den Anteil der öffentlichen Gesundheitsausgaben auf 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2010 "zu stabilisieren".

Neben Strukturanpassungen sieht Rauch-Kallat durchaus Möglichkeiten, Kosten einzusparen und damit für neue Aufgaben freizuspielen. Als ein Beispiel nannte sie die stärkere Beachtung der bestehenden "Richtlinie für ökonomische Verschreibweise" in der Steiermark, wodurch innerhalb eines Jahres 21,8 Millionen Euro eingespart worden seien.

Die dreitägige Debatte hatte die Zukunft des europäischen Wohlfahrtsstaates zum Generalthema. "Wirtschaftswachstum ist der beste Weg, Sozialsysteme abzusichern und Bildung die Basis für soziale Mobilität und Innovation", formulierte die schwedische Gewerkschafterin Anna Ekström eine These, die in Variationen häufig wiederholt und der kaum widersprochen wurde.

Umstritten blieben Vergleiche zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen Sozialsystem. Der Sozialforscher Bernd Marin meinte, es gebe kein europäisches System, vielmehr seien manche Staaten den USA punktuell wesentlich näher als Partnern in der EU.

Grundlegende Unterschiede konstatiert hingegen Wirtschaftsforscher Helmut Kramer, etwa dadurch, dass in Europa tendenziell Investitionsentscheidungen vom Unternehmen, in den USA hingegen vom anonymen Kapitalmarkt diktiert würden.

Standortqualität

Kramer vermutet, dass die sozialen Fangnetze in Europa "politisch, sozial und ökonomisch riskante Strukturveränderungen und Innovationen abgesichert und erleichtert" haben. Hohe soziale Standards (einschließlich einem leistungsfähigen öffentlichen Schul- und Gesundheitssystem) seien letztlich auch ein zentrales Element der Standortqualität, betonte Kramer - ohne ernsthaften Widerspruch von Vertretern der Wirtschaft zu ernten.

Aufhorchen ließ zuletzt Vizekanzler Herbert Haupt (FP), der in einer kurzen Debatte um das künftige Verhältnis Europas zu Afrika meinte, es sei wünschenswert, wenn sich die Geberländer bei der Entwicklungshilfe mit einer "normalen Rendite" begnügen und nicht länger das Vierfache kassieren würden.(Hannes Schlosser/DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2003)