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Der ukrainische Übergangspremier Arseni Jazenjuk wird in Brüssel den politischen Teil des EU-Assoziationsabkommens unterzeichnen.

Foto: APA/EPA/Langsdon

"Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Auseinandersetzung mit Russland sich über Wochen und Monate hinziehen wird." Keine Entspannung in Sicht. So fasste ein hochrangiger Diplomat am Mittwoch in Brüssel die Ausgangslage zum EU-Gipfel in Brüssel zusammen.

"Blitzartige Maßnahmen", eine rasche oder gar überstürzte Antwort der Gemeinschaft auf die Vorgangsweise des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine und zuletzt bei der Annexion der Krim seien nicht zu erwarten: "Die Sache ist außerordentlich komplex." Ursprünglich hätte dieses Frühjahrstreffen der Staats- und Regierungschefs ganz im Zeichen der Wirtschaft, der Energie-, Industrie- und Klimapolitik, stehen sollen. Davon ist so nun keine Rede mehr. Alles ist von der Krise in der Ukraine und den Spannungen mit Russland überschattet.

Die EU-Staaten müssen nun ein neues Szenario für ihre Energiestrategie bis 2030 entwerfen, weil sie vor der Notwendigkeit stehen, die Beziehungen zu Russland, dem wichtigsten Lieferanten von Gas (und auch von Öl), auf eine neue Basis zu stellen. Am Plan der Kommission zum Klimaschutz bis 2030 ändert sich vorläufig nichts. Das Thema ist nun aber vollends in die Defensive geraten. Zusätzlich drohen negative ökonomische Konsequenzen just in der Phase, als sich nach Jahren der Konjunktur- und Schuldenkrise beim Wachstum ein deutlicher Aufschwung abgezeichnet hat.

Das Hauptwort des Gipfels heißt daher "Deeskalation". Es müsse gelingen, den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit der Interimsregierung der Ukraine an einen Tisch und zu Verhandlungen zu bringen, verlautete es aus der Regierung in London.

Druck halten, Dialog suchen

Gleichzeitig wolle man aber den diplomatischen Druck auf ihn aufrechterhalten und alle Gesprächskanäle nützen: über die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ebenso wie über die UN und den Bündnispartner USA.

Anfang nächster Woche kommt US-Präsident Barack Obama nach Europa. Er hat die EU-Partner zu einem Treffen der wichtigsten Industriestaaten der G-7 nach Den Haag eingeladen, um darüber zu beraten, ob man Russland aus dem G-8-Format ausschließen solle. All das dürfte nach Angaben von Diplomaten auch beim EU-Gipfel zur Sprache kommen, bei der Diskussion über eine grundsätzliche Neuorientierung zu Moskau.

Bei der Verhängung weiterer Sanktionen gegen Russland wird man vorsichtig bleiben - und in enger Abstimmung mit den USA. Gegen 21 Politiker und Militärs in Russland und auf der Krim, die für Gewaltanwendung und für das aus EU-Sicht illegale Krim-Referendum verantwortlich sind, wurden am Montag bereits Einreiseverbote und Kontosperren verhängt, wie berichtet. Die Staats- und Regierungschefs könnten diese Liste nun auf weitere Personen ausweiten. Aber damit will man es dann vorläufig belassen.

Somit bliebe man in dem vor zwei Wochen beschlossenen Drei-Stufen-Plan von Zwangsmaßnahmen gegen Russland vorläufig bei Stufe 2 stehen: bei "symbolischen Maßnahmen" gegen den Machtapparat Putins, wie ein Außenminister sagt. Man spielt auf Zeit.

Die dritte Stufe - echte Wirtschaftssanktionen - dürfte es so bald kaum geben. Solche würden besonders negative Auswirkungen auf einzelne EU-Staaten haben und auch die Union als Ganzes zurückwerfen. Die EU-Regierungschefs wollen Putin aber unmissverständlich klarmachen, dass sie einig, dazu bereit wären, wenn er seinerseits jene "rote Linie" überschreitet, die sie gezogen haben: Wenn russische Truppen oder Milizen nach der Krim damit fortfahren, auch die Ostukraine zu destabilisieren, dann kommt es zu Wirtschaftssanktionen.

Die EU selber will ihrerseits alles daransetzen, um wirtschaftlich die Ukraine und politisch die Übergangsregierung in Kiew zu stabilisieren, damit reguläre Wahlen am 25. Mai stattfinden können. Am Freitag wird Premierminister Arseni Jazenjuk in Brüssel erwartet, wenn die Regierungschefs den "politischen Teil" des Assoziierungsabkommens EU-Ukraine unterzeichnen. Es soll Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sichern. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 20.3.2014)