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Kanadische Holzkonzerne und Umweltschützer hatten sich bereits geeinigt. Doch jetzt wird wieder gehobelt, und es fliegen Späne.

Foto: EPA/Barbara Walton

Ein Meer aus Fichten, Lärchen und Kiefern, dazwischen bucklige Felsrücken und Sümpfe. Der Boden ein Teppich aus Büschen, Moos und Flechten. Es herrscht ein trügerischer Frieden über den Wäldern von Montagnes Blanches, den Weißen Bergen. Diese Landschaft im Norden der Provinz Québec wurde zum Symbol der borealen Nadelwälder Kanadas.

Die Indigenen sehen die Wälder als Jagdgründe und Quelle wirtschaftlichen Aufschwungs. Die Holzkonzerne als riesiges Rohstoffreservoir. Die Umweltschützer als Lebensraum für gefährdete Tiere, vor allem der Karibus. Die Regierung indes sieht Tausende von Arbeitsplätzen. 2013 importierte Deutschland Holz- und Papierprodukte im Wert von rund 35 Millionen Euro aus Québec.

Der Traum von der Win-win-Situation

Vor drei Jahren dachten kanadische Holzkonzerne und Umweltschützer, sie hätten einen Weg gefunden, die Interessen aller unter einen Hut zu bringen. Ihre Strategie: Man handelt Abkommen über einzelne Waldgebiete aus. "Es sollte eine Win-win-Situation für alle Beteiligten werden", sagt Seth Kursman, Kommunikationschef von Resolute Forest Products, dem größten Holzkonzern Kanadas. Optimismus lag in der Luft. Ein Ende der Kriege im Wald war möglich, vorbei die Jahre der Proteste, der Verhaftungen, des rücksichtslosen Abholzens. Aber heute ist der Waffenstillstand in Gefahr. Der Resolute-Konzern verklagte Greenpeace Canada wegen "bösartiger Verleumdung".

Greenpeace hält drei Aktien

16. Mai 2013 in Thunder Bay, einer Stadt im Norden der Provinz Ontario. Der Resolute-Konzern hält hier seine Aktionärsversammlung ab. Greenpeace Canada besitzt drei Aktien von Resolute. Deshalb erhalten Waldkampagnen-Leiter Richard Brooks und sein Kollege Shane Moffat Zugang zur Hauptversammlung im Hotel Valhalla Inn. Sogleich verteilen sie Kopien eines Greenpeace-Berichtes an Aktionäre und Arbeiter, der voller Anschuldigungen gegen Resolute ist. "Wir wollten darüber informieren, dass Resolute an der zerstörerischen Abholzung in einigen der verletzlichsten Gebiete im Borealwald beteiligt ist", begründet Brooks seine Aktion.

Resolute bestreitet alle Vorwürfe vehement. Es war nicht die erste derartige Kampfansage von Greenpeace Canada. 2012 hatte die Organisation einen ersten Bericht über den Konzern veröffentlicht. "Es waren irreführende Behauptungen und falsche Informationen", sagt Kursman. So behauptete Greenpeace Canada irrtümlich, Resolute habe unrechtmäßig neue Straßen in geschützte Waldgebiete gebaut. Die Organisation verwechselte auch Waldbrandschäden mit Abholzung.

Fehler zugegeben

Resolute drohte mit rechtlichen Schritten. Überraschend gab Greenpeace Canada darauf zu, Fehler gemacht zu haben, und entschuldigte sich. Resolute ließ die Sache auf sich beruhen - bis Greenpeace im Mai die zweite Angriffswelle rollen ließ. Deshalb hat der Konzern Greenpeace Canada auf rund fünf Millionen Euro Schadenersatz verklagt. "Es geht Resolute nicht um die Sache, es geht darum, Organisationen wie uns zum Schweigen zu bringen", sagt Brooks. Resolute dagegen fühlt sich laut Kursman verantwortlich, den Ruf der Firma, der Angestellten und der Geschäftspartner zu verteidigen.

Noch vor drei Jahren sahen sich Greenpeace und Resolute als Verhandlungspartner. 21 Unternehmen und neun Umweltorganisationen hatten das Boreale Waldschutzabkommen CBFA im Mai 2010 unterzeichnet. Man wollte gemeinsam Lösungen für riesige Waldgebiete vom Westen bis zum Osten Kanadas finden.

"Ein Weg, als gute Kerle dazustehen"

Man wollte sich über insgesamt 72 Millionen Hektar Borealwald - eine Fläche, in der Deutschland zweimal Platz hat - austauschen und einigen. Greenpeace und andere Organisationen gaben im Gegenzug die "Nicht kaufen"-Kampagne gegen die in Borealwäldern tätigen Holzkonzerne auf. Es schien eine fantastische Sache für alle Beteiligten. "Die NGOs können einen Sieg verkünden, weil sie die Unternehmen dazu gebracht haben, etwas zu tun", sagt Aneel Karnani, Professor an der Ross School of Business in Michigan, "aber es ist nicht klar, ob es verbindlich ist oder was geschieht, wenn es scheitert." Für die Unternehmen, sagt Karnani, sei es ein Weg, als gute Kerle dazustehen und die aufmüpfigen Umweltschützer zu besänftigen.

Trotzdem macht sich heute beiderseits Frustration breit. "Wir konnten bisher keine Waldgebiete völlig unter Schutz stellen", sagt Janet Somner von Wildlands League in Toronto. Resolute-Sprecher Kursman dagegen kritisiert: "Es ging nur um Konservierung, es gab kein Gleichgewicht zwischen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen." Greenpeace Canada stieg im Dezember 2012 aus Protest aus dem CBFA-Abkommen aus. Kurz danach kamen die Verhandlungen der übrigen Umweltorganisationen mit Resolute vorerst zum Stillstand. Mit den anderen Firmen trifft man sich indes weiter. Aber die Verleumdungsklage hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. (Bernadette Calonego, DER STANDARD, 20.3.2014)