Vor einigen Jahren wurde in Syktyvkar in Nordrussland die größte Papierfabrik des Landes errichtet. Das Werk gehört dem südafrikanischen Konzern Mondi, der auch in Österreich große Papierfabriken besitzt (die in Syktyvkar eingebunden sind, weshalb Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner auch anreiste).

Anwesend bei der Eröffnung war auch Wladimir Putin. Davon gibt es zwei Versionen: die, dass Putin mit sechs Stunden Verspätung kam, die westlichen Manager sich in der Zeit aber nicht vom Fleck rühren durften; die andere, dass er das Werk allein besichtigte und schon wieder weg war, als die offizielle Eröffnung begann.

Westliche Firmen haben massiv in Russland investiert (Österreich derzeit für rund sieben Milliarden Euro), obwohl sie dort manchmal Dinge erleben, die weniger harmlos sind als Putins zeitelastisches Verhalten. Was passiert damit, wenn es wirklich ernsthafte wirtschaftliche Sanktionen der USA und der EU gegen Russland gibt?

Aber wirken Sanktionen überhaupt? Hat es einen Sinn, die wirtschaftliche Schraube anzuziehen?

In jüngster Vergangenheit zeigte das iranische Mullah-Regime Zeichen des Einlenkens in Sachen seiner Atompläne. Ausgelöst wurde das durch die von den USA durchgesetzten Sanktionen: kein Öl aus dem Iran, keine Technologie dorthin, Einfrieren von iranischem Auslandsvermögen. Die Wirtschaft des Mullah-Staates hat dadurch zweifellos schwer gelitten.

Länger zurück liegen die Sanktionen gegen das Apartheidregime in Südafrika; sie waren quasi eine Bürgerbewegung amerikanischer Studenten, die, beginnend mit den 1970er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, ihre Universitäten unter Druck setzten, nicht nur die Aktien südafrikanischer Firmen abzustoßen, sondern auch die von Unternehmen, die in Südafrika investierten. Das Wort dafür: Disinvestment. US-(Privat-)Unis haben riesige Vermögen. Aber auch reiche kirchliche Organisationen, die großen Pensionsfonds, Gewerkschaften, Gebietskörperschaften usw.begannen, ihr Geld aus Südafrika und Firman mit Südafrika-Connection abzuziehen. Ende der 80er-Jahre begannen auch Firmen wie General Motors und IBM, Südafrika zu verlassen. Und dann brach das Apartheid-Regime von einem Tag auf den anderen zusammen: Der letzte südafrikanische Präsident des Apartheid-Regimes, F. W. de Klerk, sagte: "Als die Disinvestment-Bewegung begann, wusste ich, dass die Apartheid enden muss."

Nun gibt es bereits Stimmen, die ein Disinvestment auch für Russland verlangen: Die amerikanischen Fondsgiganten, die stark in Anleihen und Aktion des russischen Staates und russischer Staatsunternehmen investiert sind, sollten sich zurückziehen. Das wären dann wirklich harte Bandagen. Westliche Fonds und Banken halten angeblich für 325 Milliarden russische Wertpapiere. Und ein Lieferboykott für Technologie, wie es ihn schon zu Zeiten der Sowjetunion gab, würde Moskau noch härter treffen. Russland ist als Gegner in einem Wirtschaftskrieg wohl ein anderes Kaliber als Südafrika oder der Iran. Aber unverwundbar ist es nicht. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 19.3.2014)