Mit Spritzgießmaschinen werden Kunststoffteile für die Automobil- und Unterhaltungsindustrie gefertigt. "Wir bauen unglaublich klein", meint Entwickler Herbert Zeidlhofer (unten).

Foto: STANDARD/Corn
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St. Valentin - Es ist so ruhig hier. Am auffallendsten ist, dass es so ruhig ist. St. Valentin in Niederösterreich ist der Standort für Großmaschinen von Engel Austria. Hier werden übermannshohe Spritzgießmaschinen zur Kunststoffverarbeitung, die 20 bis 550 Tonnen wiegen, entwickelt und produziert. Ausschlaggebend ist aber nicht das Gewicht der Maschinen, sondern ihre sogenannte Schließkraft: 5000 bis 55.000 Kilonewton schaffen die im Engel-leuchtgrün gebrandeten Riesen. Da kommt Demut auf.

Jede Spritzgießmaschine besteht generell aus zwei Teilen: der Spritzeinheit und der Schließeinheit. Die Spritzeinheit bereitet das Rohmaterial, also zum Beispiel das Kunststoffgranulat, auf, erwärmt es und spritzt es unter Druck in das "Werkzeug" ein. Das "Werkzeug" stellt eine Negativform des gewünschten Kunststoffteils dar. In der Schließeinheit, die das Werkzeug aufnimmt, entsteht die gewünschte Form. Die Schließkraft bezeichnet, mit welcher Kraft das Kunststoffgranulat von der Spritzeinheit in die Schließeinheit der Maschine befördert und gepresst wird - und die ist in diesem Fall richtig hoch.

"Wir bauen unglaublich klein", betont Herbert Zeidlhofer, der Bereichsleiter für Technik und Entwicklung dieser Großmaschinen. Man will es kaum fassen - diese Maschinen sollen klein sein? Natürlich ist alles relativ. Die "Engel e-duo 700" sei besonders kompakt und energiesparend, für Letzteres ist sie für den österreichischen Staatspreis Innovation nominiert. "Je nach Bauteil und Zyklus kommen wir auf bis zu 50 Prozent Energieersparnis", erklärt der Maschinenbauer Zeidlhofer.

Komplett elektrifiziert

Herkömmliche Spritzgießmaschinen, mit denen Kunststoffteile für die Automobilindustrie oder zum Beispiel Großbildfernseher gefertigt werden, werden hydraulisch betrieben. Die e-duo ist elektromechanisch angetrieben.

"Es ist die Komplettelektrifizierung, die patentiert wurde", sagt Zeidlhofer, und für die Techniker unter uns fährt er fort: "Der Zweiplattenschließhohlwellenservomotor, der eine Kugelschwerlastumlaufspindel antreibt." Soll heißen: Die Elektrifizierung aller Mechanismen in der Maschine reduziert den Energieverbrauch im Vergleich zu einem Hybridsystem aus Hydraulik und Elektrik um zehn Prozent und im Vergleich zur Standard-Hydraulikmaschine um 35 Prozent.

Seit 2010 arbeitet Zeidlhofer mit einem Team von 20 Maschinenbauern, Softwareentwicklern, Elektrikern und Hydraulikern an dem Prototyp, rund zwei Jahre dauerte es bis zur Serieneinführung, etwa eine Million Euro an Entwicklungskosten wurden investiert. Im Vorjahr wurde die e-duo dem Fachpublikum auf der K 2013, der weltgrößten Kunststoffmesse in Düsseldorf, vorgestellt.

Mit rund 350.000 Euro kostet sie laut Zeidlhofer "circa 50 Prozent mehr als Konkurrenzprodukte". Trotzdem sei man gerade am asiatischen Markt extrem erfolgreich. "Der Kundennutzen ist so groß", erklärt der Entwickler, "extreme Präzision, hohe Einspritzgeschwindigkeiten, geringer Ölverbrauch und der geringe Energieverbrauch sind ausschlaggebend" - nicht zu vergessen sei die geringe Lärmentwicklung, siehe oben. Um eine Vorstellung vom Energieverbrauch zu bekommen, gibt Zeidlhofer folgenden Vergleich: "Es geht um Einsparungen von bis zu 100.000 Kilowattstunden im Jahr oder 9350 Liter Heizöl."

40 Maschinen wurden bereits verkauft. Das ist für das 1945 gegründete Unternehmen mit Stammsitz Schwertberg ein großer Erfolg. "Wir sind Weltmarktführer in diesem Segment", sagt Zeildhofer. 4400 Beschäftigte hat das Unternehmen heute weltweit, davon in Österreich rund 2900. Am Standort St. Valentin arbeiten 950 Personen. Produziert wird in den USA, Korea, China, Tschechien und Deutschland.

Harte Konkurrenz aus Asien

Der weltweite Bedarf an solchen Maschinen betrage rund 95.000 jährlich, die Firma Engel Austria produziere davon knapp 4000 Stück, der wertmäßige Marktanteil betrage aber fast 15 Prozent. Rund die Hälfte aller Maschinen komme aus China, Asien sei der härteste Konkurrent. 50 Millionen Euro stecke man deswegen jährlich allein in Entwicklung.

Noch wachse die Kunststoffindustrie um rund zwei bis drei Prozent im Jahr. Und dann? "Wir möchten Weltmarktführer beim Energiesparen sein", definiert Zeidlhofer das Ziel. Man wolle weiterhin die energiesparendsten Maschinen entwickeln. Zukunftsmärkte seien die Automobilindustrie von "emerging countries" wie Indien, China oder Thailand, aber auch die Medizintechnik- und Verpackungstechnik seien wichtige Bereiche. Für Europa sieht Zeidlhofer einen "Hype um Leichtbauthemen" in der Automobilindustrie. Das stimmt ihn zuversichtlich: "Für Vollcarbonkarosserien können wir mit unserem Kunststoff-Knowhow sicher einen wesentlichen Anteil leisten." (Tanja Paar, DER STANDARD, 19.3.2014)