Der Hexacopter "sieht aus, als hätte Apple ihn gemacht". Javier Rabago ist Blogger und beschreibt damit das Ding, mit dem die Herstellerfirma Aibotix in die Luft geht. Tatsächlich erinnert der Aibot (sprich Eibot) X6 in seiner Aussprache an den iPod aus dem sonnigen Kalifornien. Reiner Zufall, wie Jörg Lamprecht im Gespräch mit derStandard.at meint: Aibotix, der Name steht für Artificial Intelligence und Robotics.

Jörg Lamprecht ist ein Mann der Taten. 2010 gründet er mit zwei Freunden das Unternehmen Aibotix. Im August 2011 wird der erste Aibot X6 ausgeliefert – eine Drohne für die zivile Nutzung. In der Fachsprache heißt das "Unmanned Aerial Vehicle" (UAV), ein unbemanntes Flugobjekt, so der Aibotix-Geschäftsführer. Das UAV kommt überall dort hin, wo es für herkömmliche Geräte unmöglich oder für Menschen zu gefährlich ist.

Ursprünglich für den Militäreinsatz gebaut, vermeidet man in der Branche aufgrund der Negativkonnotation gern das Wort "Drohne". Die fliegenden Helfer übernehmen bereits allerlei Dienste: In vielen Teilen der Welt – sei es Australien oder die Antarktis – nutzen Tierschützer die kleinen Vehikel, um artgerechte Tierhaltung aus der Luft zu kontrollieren oder Bestände zu zählen. In Europa werden sie zur Thermografie und Wartung von Industrieanlagen oder Windrädern eingesetzt. Wissenschafter greifen auf Drohnen für Kartierungen und archäologische Forschungen zurück. In Katastrophenfällen werden UAV genutzt, um unzugängliche Gebiete zu sondieren. Neben hochspezialisierten Bereichen gibt es auch ganz lebensnahe Anwendungen: Der Privatmann kann mit einem UAV das Dach seines Hauses ohne viel Aufwand nach Mängeln absuchen. Auch die Energiebranche setzt bereits neben der traditionellen, aufwändigen und teuren Inspektion mit Klettergurt oder Hubwagen auf Prüfungen aus der Luft mit Drohnen – unter anderem, um die stark beanspruchten Netze zur Überprüfung nicht abschalten zu müssen.

Der Aibotix X6 fliegt für deutsche Großkonzerne wie RWE oder E.On. Auch die Austrian Power Grip (APG), eine 100-Prozent-Tochter der Verbund-Gesellschaft, lässt ihre Stromleitungen seit Mitte 2012 durch die Kopter aus Kassel prüfen. Ein Stück sei hier momentan im Einsatz, heißt es auf Anfrage aus dem Unternehmen, ein baugleiches Ersatzgerät werde außerdem laufend für die APG bereitgehalten. Gemeinsam mit Aibotix würden diese auf die Spezialbedürfnisse von Österreichs Übertragungsnetzbetreiber derzeit weiterentwickelt. So soll die Navigation noch weiter verfeinert werden, der Flug künftig zentimetergenau erfolgen.

Der Aibot X6 sieht aus wie eine löchrige runde Scheibe, es gibt ihn in knallbunten Farben, er besteht aus ultraleichtem Karbon, hat einen Durchmesser von einem Meter und saust – je nach Windbedingungen – mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde durch die Gegend. Er erreicht mit seinen sechs Rotoren eine Steigrate von acht Metern pro Sekunde, wiegt rund drei Kilo und kann noch zwei Kilo Equipment aufnehmen. Selbst bei leichtem Regen und Schnee kann er eingesetzt werden. Andere Wetterverhältnisse würden für den Hexacopter wohl auch wenig Sinn machen, dient er doch in erster Linie für Inspektions-, in zweiter Linie für Vermessungsflüge, um gestochen scharfe Fotos zu liefern. Gesteuert wird er – nach Dreh- und Aufstiegsgenehmigung – von einem handelsüblichen Tablet aus einer Maximalentfernung von zwei Kilometern.

Der Aibot X6 ist seit Jahren im Einsatz. Je nach Ausstattung kostet er im Schnitt zwischen 30.000 und 40.000 Euro. An einem Nachfolgemodell wird bereits getüftelt. (Foto: Aibotix)
Foto: Aibotix

Grundsätzlich gebe es bei Mikrokoptern zwei mögliche potenzielle Gefahren, so Lamprecht. Die Rotoren werden durch eine Kollision beschädigt, oder der Kopter stürzt ab. Um diese Risiken zu minimieren sind beim Aibot X6 alle Rotoren ummantelt und dadurch geschützt. Durch einen speziell eingebauten Mechanismus hält der Hexacopter automatisch einen Sicherheitsabstand zu einem Hindernis. Zudem ist das UAV auch mit nur vier Rotoren voll funktionsfähig.

"Die Branche steht noch ganz am Anfang", so Lamprecht. Durch die rasante Entwicklung in der Elektromobilität der letzten Jahre werde der Markt der Akkutechnik stark getrieben. Zum Vergleich: 2010 erschöpfte sich die Leistung der Batterien bereits nach wenigen Minuten, heute bleibe sein Flugroboter bereits 30 Minuten in der Luft. Gehe die technologische Entwicklung in gleichem Tempo voran, würden Microkopter bereits in einigen Jahren mehrere Stunden in der Luft sein können. Denkbar auch, dass sie sich automatisch an Powerlines aufladen.

Und die Nachfrage insgesamt steigt rasant. Lamprecht sieht das Marktvolumen bis 2017 weltweit bei 7,3 Milliarden Euro – in den nächsten zehn Jahren soll sich dieses noch verdoppeln. In einem Arbeitspapier rechnet die EU-Kommission vor, dass bis zu diesem Zeitpunkt etwa 35.000 UAV produziert werden. In der EU sind sie bereits für die zivile Nutzung zugelassen. Hier dürfen UAV, die unter die Kategorie Modellflugzeuge fallen, bis zu 100 Meter hoch im freien Luftraum aufsteigen, müssen bei privater Nutzung jedoch in Sichtweite des Steuerers bleiben. Der Roboter darf darüber hinaus nicht über Menschen oder Menschenmassen fliegen und muss sich mindestens 1,5 Kilometer vom nächstgelegenen Flughafen fernhalten.

Schiebel ist mit seinen unbemannten Helikoptern laut eigenen Angaben Weltmarktführer. (Foto: Schiebel)
Foto: Schiebel

Vor 2008 durften sich größere unbemannte Drohnen nur im gesperrten Luftraum bewegen, dazu gehörten beispielsweise internationale Gewässer, Wüstengebiete oder von Katastrophen betroffene Regionen. Danach schuf die EU die Rechtsgrundlage, um ein UAV von der European Aviation and Safety Agency (EASA) für die Fluggenehmigung im öffentlichen Raum zertifizieren zu lassen. "Die Zertifizierungen machen Sinn und sind sehr streng. Die Auflagen sind für unseren Camcopter S-100 grundsätzlich dieselben wie für einen Airbus A380", sagt Hannes Hecher, Geschäftsführer von Schiebel im Gespräch mit derStandard.at. Das Wiener Unternehmen ist laut Eigenangaben Weltmarktführer im Bereich der unbemannten Helikopter mit einer möglichen Kamera-Sensorzuladung von 50 Kilogramm. Schiebel machte sich in den letzten beiden Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts einen Namen mit der Produktion von Minensuchgeräten, bevor man dazu überging, Helikopter herzustellen. 19 Jahre arbeitet und forscht man nun schon an der Weiterentwicklung des Camcopters (Unmanned Aerial System, UAS), 13 bis 15 Prozent des Umsatzes fließen jährlich in den Entwicklungsaufwand. 8,5 Millionen Euro wird Schiebel voraussichtlich investieren, um den Camcopter EU-zertifikatstauglich und damit für den freien Luftraum fit zu machen.

USA hinken Europa hinterher

In den USA schaut die Rechtslage ganz anders aus: Bis heute ist es ausschließlich offiziellen Stellen (wie etwa Polizei, Universitäten, Zoll oder Rettungskräften) vorbehalten, für eine Flughöhe über 130 Meter im öffentlichen Flugraum eine Fluggenehmigung von der Luftfahrbehörde Federal Aviation Administration (FAA) zu beantragen. Firmen ist dies überhaupt gänzlich verboten. Im Februar 2012 unterzeichnete US-Präsident Barack Obama zwar ein Gesetz, wonach Drohnenverkehr für den zivilen Einsatz ab 2015 allmählich in den amerikanischen Luftraum integriert werden soll. Doch die Tests werden mindestens bis ins Jahr 2017 andauern. Wenn es dann so weit ist, stehen europäische Unternehmen in den Startlöchern.

Noch ist es nicht so weit. Hecher: "Seit 1. Jänner 2014 gibt es in Österreich bereits die Möglichkeit, im Umkreis von 500 Metern zur Bodenstation sowie bis zu einer Flughöhe von 150 Metern mit den notwendigen Genehmigungen der Austro Control am Sichtflugverkehr teilzunehmen. Eine uneingeschränkte Teilnahme von unbemannten Luftfahrzeugen im zivilen europäischen Luftraum wird es erst mittelfristig geben, und zwar sobald es eine rechtliche und technische Lösung des Problems der automatischen Kollisionsvermeidung gibt." Für Flüge in visueller "Line of Sight" wird es jedoch bald europaweit harmonisierte Regeln geben. Im gesperrten Luftraum ist Schiebel allerdings vielfältig unterwegs. Der Camcopter S-100 ist drei Meter lang, kann sich von der Basisstation am Boden in einem Radius von 200 Kilometern bewegen und acht Stunden lang fliegen. Inklusive Flugbenzin (AvGas) und Ausstattung wiegt er nicht mehr als 200 Kilogramm.

Der Camcopter S-100 eignet sich besonders für Start und Landung auf Schiffen. (Foto: Schiebel)
Foto: Schiebel

Einsatz gegen Piraterie

Nicht ohne Stolz schildert Hecher das Projekt Atlanta, einen Zusammenschluss mehrerer Länder zum Schutz von Schiffen im Dienste humanitärer Hilfslieferungen und zur Bekämpfung von Piraterie vor der Küste Somalias: Die italienische Marina habe einen der drei Meter langen Camcopter erworben. Das UAS komme unter anderem auch bei Erdbeben, Grenzkontrollen, Pipelineinspektionen oder Feuer zum Einsatz. "Wo Rauch ist, muss nicht Feuer sein", so Hecher. Ein unbemanntes Flugobjekt könne den Brandherd genau detektieren, ohne Menschenleben zu gefährden. Vorgespräche für den Einsatz im freien Luftraum gebe es bereits. So sollen beispielsweise künftig Tankschiffe, die den Ärmelkanal passieren, aus der Luft kontrolliert werden, um schwarze Schafe, die illegal Öl ins Meer leiten, auszuforschen. "Wir können mit unseren Geräten nicht nur erkennen, wie viel Öl abgelassen wird, sondern auch, wie sich dieses zusammensetzt", sagt Hecher. Mit der Strafe für solche Umweltsünder könne man fast zwei Camcopter kaufen – die Kosten für diesen, so Hecher, lägen im "oberen einstelligen Millionenbereich".

Konkurrenz: Es gibt einige. Lamprecht nennt sie "Lokalhelden", die Drohnen zusammenbauen und den lokalen Markt bedienen. Aibotix gehört seit Februar zu der schwedischen Hexagon-Gruppe, einer der europaweit größten Firmen im Bereich der Vermessung und der Sensorik. Paketabwerfer, fliegende Pizzen und Dönerzusteller hingegen lassen Lamprecht nur schmunzeln und sind für ihn nichts weiter als eine – mehr oder weniger – gelungene Jux-Aktion, Stichwort: Fliegen in Sichtweite des Steuerers. Ähnlich sieht man es bei Schiebel: Es gebe einige Mitbewerber, vor allem aus Schweden oder durch den Euro Hawk, in der Regel aber sind Unmanned Aerial Systems aus den USA derzeit umgebaute bemannte Helikopter. Wurden früher Schiebels Camcopter in Abu Dhabi gefertigt, da das Unternehmen den bis dahin größten Kunden, die Luftstreitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate, belieferte, wird heute ausschließlich in Wiener Neustadt produziert. Und Hecher erinnert sich an die Anfänge, als Hans Georg Schiebel das 1951 gegründete Unternehmen vor mehr als drei Jahrzehnten übernahm: "Begonnen hat alles in einer Garage. In Wien-Margareten." (Sigrid Schamall, derStandard.at, 24.2.2014)