Er war der schlimmste Nationalist und propagiert nun das Gegenteil. Das ist gut für alle Bürger Ex-Jugoslawiens, die sich auch zwanzig Jahre nach der Auflösung der Bundesrepublik noch stark aufeinander beziehen. Unter Aleksandar Vučić wird nicht mehr mit Ethnonationalismus gezündelt. Das Problem ist nur: So richtig glauben tut ihm niemand. Denn der Mann, der nun eine absolute Mehrheit im Parlament hat, kündigte, bevor er Informationsminister unter Milošević wurde, kurz vor dem Genozid in Srebrenica, an, dass man für jeden Serben, der getötet wird, "100 Muslime töten werde". Manche Bosnier finden es deshalb zynisch, dass man ihn nun in Brüssel so schätzt.

Allerdings hat der Mann mit der steinernen Miene nicht nur seine Rhetorik radikal geändert, sondern als Erster auch Fakten in Richtung einer guten Nachbarschaft gesetzt: Das April-Abkommen mit dem Kosovo vergangenes Jahr war vor ihm undenkbar. Auch im Verhältnis zu Kroatien und zu Bosnien-Herzegowina wählt er sehr bedacht seine Worte. Seine Beziehung zu dem bosnischen Serben Milorad Dodik, der dauernd die nationalistisch-separatistische Karte ausspielt, ist kühl. Genauso kühl, wie Vučić eben rechnet: Er will in die EU und weiß, was er tun muss.

Das autoritäre Gedankengut der Vergangenheit aber wird von ihm in keiner gesellschaftlichen Debatte zugeordnet und angeprangert. Und das wiederum ist schlecht für die Region, weil der Wandel so ein oberflächlicher bleibt. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 18.3.2014)