Das zerfurchte Antlitz des Merkur: Gräben und Furchen verrieten den Wissenschaftern, dass der Planet in der Vergangenheit stärker geschrumpft ist als frühere Messungen annehmen ließen.

Foto: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Carnegie Institution of Washington

Der Merkur hat heute einen Durchmesser von rund 4.880 Kilometer. Das war nicht immer so: Im Verlauf der vergangenen vier Milliarden Jahre ist der innerste Planet unseres Sonnensystems geschrumpft - und zwar in wesentlich größerem Ausmaß, als frühere Beobachtungen annehmen ließen. Wie aktuelle im Fachjournal "Nature Geoscience" veröffentlichte topografische Daten der NASA-Sonde "Messenger" belegen, wurde der Merkur um insgesamt 14 Kilometer kleiner.

Schrumpfen ist kein Phänomen, das sich auf den Merkur beschränkt. Auch andere Gesteinsplaneten verlieren allmählich jene Wärme, die noch aus der heißen, ungestümen Jugendzeit des Sonnensystems herrührt. Bekannt ist das Phänomen als thermische Kontraktion. Bei der Erde, deren Kruste sich aus einzelnen Platten zusammensetzt, bewirkt der Schrumpfungsprozess tektonische Verschiebungen. Der Merkur dagegen verfügt über eine durchgehende, vergleichsweise dünne Gesteinsschicht, die sich durch die Kontraktion des Planeten in veritable Falten wirft.

Zwischen 1974 und 1975 kartierte die NASA-Sonde "Mariner 10" rund 45 Prozent der Merkur-Oberfläche. Die beobachteten Gräben und Verwerfungen lieferten den Planetenforschern bisher die - unvollständige - Grundlage für Berechnungen, um wie viel sich der Merkur seit 3,8 Milliarden Jahren zusammengezogen hat. Zwischen 1,6 und sechs Kilometer hatte er an Durchmesser eingebüßt hat, so das Ergebnis. Laut dem gängigen thermischen Modell über die Entwicklung des Merkur sollte es eigentlich wesentlich mehr sein.

"Messenger"-Daten lösen Widerspruch

Die mittlerweile flächendeckende Kartierung des Merkur auf Basis von Daten der NASA-Sonde "Messenger" lieferte nun den Beweis, dass der kleinste Planet des Sonnensystems tatsächlich viel mehr geschrumpft ist als die "Mariner"-Daten ursprünglich vermuten ließen: Um bis zu 14 Kilometer ist der Merkur demnach kleiner geworden, was sich ziemlich genau mit den Vorhersagen deckt.

"Die neuen Ergebnisse lösen einen Jahrzehnte alten Widerspruch zwischen den Modellen zum Wärmeverlust des Merkur in seiner Vergangenheit und dessen geschätzten Größenverlust," erklärt der Hauptautor der Studie Paul Byrne von der Carnegie Institution for Science in Washington. Byrne und seine Kollegen beobachteten eine wesentlich größere Anzahl von geologischen Strukturen, die auf den Schrumpfungsprozess zurückgehen, als dies vorangegangenen Untersuchungen gelungen war. Die Planetologen identifizierten insgesamt über 5900 zwischen neun und 900 Kilometer lange Höhenzüge und Verwerfungen, die mit dem Schrumpfen des Planeten in direkten Zusammenhang stehen. (tberg, derStandard.at, 17.03.2014)