Dass gegen Unternehmen immer öfter und immer höhere Bußen und Strafen für Kartellrechtsverstöße verhängt werden, ist auch aufgrund der medialen Berichterstattung sichtbar. Ebenso weiß der informierte Beobachter, dass die EU-Kommission weiter daran arbeitet, die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus Kartellrechtsverstößen zu erleichtern - siehe den Richtlinien-Vorschlag COM (2013) 404 vom 11. 6. 2013. Nach wie vor weitgehend unbekannt ist hingegen, dass der Oberste Gerichtshof vor zwei Jahren ausgesprochen hat, dass auch die Geschäftsführer und Vorstände von Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt waren, unmittelbar den Geschädigten haften können (OGH 14. 2. 2012, 5 Ob 39/11p).

In erster Linie haften Organe der Gesellschaft gegenüber, für welche sie tätig sind - die sogenannte Innenhaftung. Eine Außenhaftung gegenüber Gläubigern besteht hingegen nur dann, wenn diese gesetzlich normiert ist (z. B. Haftung für Steuerschulden) oder wenn das Organ in Ausführung der ihm zustehenden Aufgaben gesetzwidrig gehandelt hat, wobei dieses Handeln in objektivem Zusammenhang mit dem dem Organ zugewiesenen Wirkungsbereich stehen muss.

Übertragen auf kartellrechtliche Verstöße sind Schadenersatzansprüche von Gläubigern der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer bzw. den Vorstand dann denkbar, wenn dieser die Verstöße selbst begangen hat oder an diesen aktiv beteiligt war oder gegen solche trotz Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes nichts unternommen hat.

Insbesondere die letzte Alternative führt zu einer sehr weitgehenden Haftung, weil sich der Geschäftsführer nicht damit herausreden kann, dass er an Absprachen nicht selbst beteiligt war, sondern diese etwa nur auf Vertriebsebene stattfanden. Er haftet dann, wenn ihm vorgeworfen werden kann, dass er davon bei Anwendung der entsprechenden Sorgfalt hätte wissen müssen, aber nichts unternommen hat, um die kartellrechtswidrige Praxis zu unterbinden.

Die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis kann insbesondere auch bei der Kartellvariante der "aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen" schlagend werden: So stellt sich die Frage, wie es einem Vorstand bei gebührender Aufmerksamkeit entgehen könnte, dass nicht nur sein Unternehmen, sondern auch sämtliche Mitbewerber Preise mehr oder minder gleichzeitig erhöhen oder senken.

Verdachtsmomente

Wann einem Geschäftsführer kartellrechtswidrige Praktiken auffallen müssten, wird von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Kriterien sind unter anderem die Größe des Unternehmens und damit die "Entfernung" der Geschäftsführung von jenen Stellen, die wettbewerbswidrige Absprachen treffen, die Ressortzuständigkeit in der Geschäftsführung - dem zuständigen Geschäftsführer muss es eher auffallen -, weiters die Größe und Bedeutung des Kartells. So ist schwer vorstellbar, dass einem Geschäftsführer auf Dauer entgeht, dass sein Unternehmen in einem bestimmten Gebiet oder Markt kaum Umsätze, in einem anderen dafür äußerst hohe erwirtschaftet. Wenn ihm das auffallen musste, muss auch dem sich dann aufdrängenden Verdacht auf bestehende Gebiets- oder Marktaufteilung nachgegangen werden.

All dies wird auch damit zusammenhängen, was aufgrund des internen Berichtswesens der Geschäftsführung auffallen muss, wobei das Fehlen von Berichten keine Lösung ist: Gibt es gar keine Berichte, kann dies als bewusstes "Augenverschließen" und damit erst recht als fahrlässige Unkenntnis gewertet werden. Dasselbe kann generell auch dann gelten, wenn im Unternehmen keine - inzwischen vielfach als Standard angesehene - "Kartellrechts-Compliance"-Maßnahmen gesetzt werden; auch dafür ist im Kern die Geschäftsleitung verantwortlich.

Sollte die vorgeschlagene Richtlinie beschlossen werden, werden sich die Haftungsrisiken noch erhöhen, weil sie unter anderem vorsieht, dass im Fall der festgestellten Zuwiderhandlung in Form von Kartellen vermutet wird, dass dieser Verstoß einen Schaden verursacht hat. Die Feststellung eines Kartells durch eine Entscheidung von Wettbewerbsbehörden soll dabei bindende Wirkung für die Gerichte, die über Schadenersatzansprüche entscheiden, haben. Die Gerichte sollen anordnen können, dass die beklagten Schädiger Beweismittel offenlegen, was den bislang kaum zu führenden Nachweis des Schadens erleichtern soll.

Schadenersatz auch für Dritte

Schließlich ist vorgesehen, dass sämtliche Kartellanten für alle vom Kartell verursachten Schäden - also nicht nur für die dem eigenen Unternehmen zuordenbaren - solidarisch haften und die Verjährungsfristen mindestens fünf Jahre betragen sollen. Damit wird die Haftung gegenüber der nach österreichischem Schadenersatzrecht grundsätzlich anwendbaren dreijährigen Verjährungsfrist zeitlich ausgedehnt, betraglich könnten rasch gewaltige Summen erreicht werden. Eine wesentliche Haftungserweiterung könnte sich überdies aus der Richtlinie sowie aus der Rechtsprechung des EuGH in einem aktuellen Verfahren ergeben, wenn dieser - entsprechend den Schlussanträgen der Generalanwältin - befindet, dass auch Drittgeschädigten in Fällen des "Umbrella Pricing" (das Kartell führt dazu, dass auch Kartellaußenseiter höhere Preise verlangen können) Schadenersatzansprüche gegen die Kartellbeteiligten zustehen müssen (C-557/12).

Naheliegend wäre, sich auf eingeholten Rechtsrat und damit einen zumindest vertretbaren Rechtsirrtum zu berufen, aber auch dieser Weg dürfte in Anbetracht der jüngsten Entscheidungen von EuGH und OGH verschlossen sein (siehe EuGH C-681/11 und nachfolgend OGH 16 Ok 4/13). Auch das oft bemühte Allheilmittel der Versicherung wird in den meisten Fällen versagen: Nach den Bedingungen der D&O-Versicherungen besteht kein Versicherungsschutz im Fall von vorsätzlich herbeigeführten Schäden, somit in den meisten Fällen der Organaußenhaftung wie vom OGH definiert. Als Versicherungsfall bleibt in der Regel nur die Deckung von Schadenersatzansprüchen, die auf Kartellrechtsverstöße zurückgehen, die der Geschäftsführer aufgrund fahrlässiger Unkenntnis nicht erkannte und deshalb nicht unterband.

Unabhängig davon, wie sehr die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen noch erleichtert und damit die Haftung verschärft werden wird, ist klar, dass Manager sich nicht nur persönlich allen kartellrechtswidrigen Verhaltens zu enthalten haben, sondern auch gut beraten sind, in ihrem Unternehmen bzw. Konzern kartellrechtliche Compliance einzuführen und umzusetzen, andernfalls könnte das Gespenst des Privatkonkurses zum ständigen Begleiter werden. (DER STANDARD, 20.3.2014)