Seit 2007 gibt es eine ganze Reihe von Therapien, mit denen abhängig von der Größe des Tumors das Leben der Patienten um Monate und Jahre verlängern werden kann.

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Nierenzellkarzinome sind häufig Zufallsbefunde. Heilung gibt es keine, auch nicht mit Hilfe der umstrittenen Tumorimpfung, weiß Shahrokh Shariat, Leiter der Uniklinik für Urologie der Medizinischen Universität Wien.

STANDARD: Vor einigen Wochen sandte die Firma Vaccentis eine Pressemitteilung aus, in der sie eine Impfung mit Tumorzellen gegen Nierenzellkarzinom anpreist. Was halten Sie davon?

Shariat: Ich sehe das mit Entsetzen. Ich würde sogar sagen, es verstößt gegen das erste ärztliche Gebot, dem Patienten keinen Schaden zuzufügen, wenn man eine nunmehr 15 Jahre alte, nicht angemessen geprüfte und nicht zugelassene Therapie anbietet.

STANDARD: Aber die Therapie wurde von Urologen entwickelt.

Shariat: Richtig. Ende der 1990er-Jahre kam die Idee auf, dass man das Abwehrsystem trainieren könnte, Tumoren zu erkennen. Aus den 1980er-Jahren wusste man, dass gerade Nierenzellkarzinome vereinzelt auf Immuntherapien ansprachen. Damals hat man Medikamente eingesetzt, die bestimmte Teile des Abwehrsystems unterdrücken und andere dafür stimulieren. Etwa 20 Prozent der Patienten sprachen auf die Therapie an. Und ganz selten beobachtete man sogar, dass der Tumor ganz verschwand, die Patienten sogar geheilt waren. Dafür aber litt der weitaus größte Teil, also die übrigen 80 Prozent, unter den schweren Nebenwirkungen, ohne dass sie profitierten.

STANDARD: Wie gehen sie sonst gegen Nierenzellkarzinome vor?

Shariat: Die meisten Tumore der Niere werden heute zufällig mithilfe bildgebender Verfahren entdeckt. Das bedeutet, sie sind noch ziemlich klein. Dann kann man sie zunächst beobachten. Und wenn sie nicht wachsen, also gutartige Veränderungen sind, kann man damit sehr alt werden. Wenn sie wachsen, sollte man den Teil der Niere entfernen, und zwar ausdrücklich nur diesen Teil. Oftmals wird eine ganze Niere entfernt, obwohl es nicht nötig wäre, weil viele Ärzte sich diesen komplizierten Eingriff nicht zutrauen. Daran müssen wir arbeiten.

STANDARD: Und wenn der Krebs wieder zurückkommt? Darum geht es ja bei der therapeutischen Impfung, die Vaccentis anbietet?

Shariat: Auch dann haben wir noch einige Behandlungsmöglichkeiten. Seit 2007 gibt es eine ganze Reihe von Therapien, mit denen wir das Leben um Monate und Jahre verlängern können - je nachdem, wie groß der Tumor ist, wie er liegt und wo sich die Metastasen bilden. Ganz ähnlich wie in der Aids-Therapie kommt es auch beim Krebs darauf an, die richtige Kombination von Medikamenten zu wählen.

STANDARD: Aber heilen lässt sich der Krebs dann nicht?

Shariat: Nein. Aber das konnte auch die umstrittene Tumorimpfung nicht, von der man noch nicht einmal weiß, ob sie überhaupt wirkt.

STANDARD: Können Sie sich erklären, warum diese Therapie trotz der Kritik wieder angeboten wird?

Shariat: Wissen Sie, ich habe in den USA durchsetzen können, dass eine Firma für Nahrungsergänzungsmittel ihr Produkt vom Markt nehmen musste, weil es das Wachstum von Prostatakrebs anregte. Erst wollten sie mich verklagen. Dann haben sie das Mittel vom Markt genommen und nur kurze Zeit später unter einem anderen Namen erneut vertrieben. Zweifelhafte Menschen, die mit der Hoffnung verletzlicher Patienten ihr Schindluder treiben, wird es immer geben. (Edda Grabar, DER STANDARD, 18.3.2014)