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Mehrere Jobs nebeneinander sind für viele Realität.
Foto: APA/dpa/Wolfgang Kumm
Retz/Oberpullendorf - "Lieber zehn kalte Winter als ein heißer Sommer", sagt Ursula Graf, Reinigungskraft aus dem niederösterreichischen Retz. Als wahre "Sommerhasserin" - so betont die 45-Jährige - mache es ihr wenig aus, in der Urlaubszeit daheim zu bleiben und weiterzuarbeiten. "Ich habe jetzt seit acht Jahren keinen Tag freigemacht."

Freimachen nämlich ginge sich bei ihr nicht aus. Wegen der Finanzen ("Ich komme auf 1000 Euro brutto, zwölfmal"), vor allem aber aus organisatorischen Gründen: "Derzeit habe ich vier verschiedene Jobs. Da ist es schwer, jemand zu finden, der einspringt."

An drei Orten arbeitet Graf als freie Dienstnehmerin - ohne Urlaubsanspruch -, Job Nummer vier ist eine geringfügige Beschäftigung mit weniger als 309,38 Euro, brutto für netto. Damit gehört die Weinviertlerin zu der immer größeren Gruppe von Menschen, die sich ihr Brot mit mehreren Teilzeitarbeiten verdienen müssen. Und dennoch oft als arm gelten - also mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen müssen: die so genannten "working poor".

Mit ihren 1000 Euro brutto befindet sich Graf genau an dieser Kippe. Doch sie sieht ihre Situation überwiegend positiv. Wegen "der Unabhängigkeit": Sie könne sich ihre Zeit frei einteilen. Außerdem habe sie "keinen Chef vor der Nase": "Ich war einmal in einer Fabrik. Da durfte man während der Schicht nicht einmal aufs Klo gehen", erzählt die ehemals ungelernte Arbeiterin.

Hilfsbedürftig

"Man fühlt sich so . . . hilfsbedürftig. Irgendwie so . . . minderwertig. Auch wenn man es von außen gar nicht zu spüren bekommt": Im burgenländischen Oberpullendorf ringt Verena Stampf um die richtigen Worte. 27 Jahre alt ist die gelernte Kindergärtnerin, die zusätzlich eine vierjährige Ausbildung zur Musik- und Bewegungserzieherin abgeschlossen hat. Ihr bisheriges Arbeitsleben war eine finanzielle Enttäuschung.

Genau 213 Euro netto pro Monat hat Stampf im laufenden Jahr als Mitarbeiterin eines Rhythmikstudios in Wien verdient - jetzt erwartet sie im achten Monat die Geburt ihres ersten Kindes. Im Vergleich zum Vorjahr habe es 2003 zu den Rhythmikkursen nur wenig Zulauf gegeben, schildert sie: "Statt fünf Jahreswochenstunden Unterricht konnte ich nur drei Stunden geben."

Die arbeitsrechtliche Konsequenz: Aus dem freien Dienstvertrag wurde eine geringfügige Beschäftigung. "Ich habe versucht, etwas dazuzuverdienen, bin zwischen Wien und dem Burgenland gependelt." Mit dem Auto: ein "Luxus", den sie sich ohne Unterstützung ihres Mannes nicht hätte leisten können.

Von ihm, mit dem sie "zum Glück" gut auskommt, fühlt sie sich abhängig. "Dabei", so betont die junge Frau mit der fundierten Ausbildung, "war es mein Ziel, beruflich auf eigenen Beinen zu stehen." (DER STANDARD, Printausgabe 19.08.2003)