Das hatte nicht einmal Slobodan Milošević auf dem Höhepunkt seiner Macht samt Wahlfälschungen erreichen können: Die Serbische Fortschrittspartei (SNS) gewann bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag 48,8 Prozent oder 157 von 250 Mandaten. Es ist das beste Ergebnis in der parlamentarischen Geschichte Serbiens. SNS-Chef Aleksandar Vučić, der bisherige starke Mann Serbiens, trägt nun auch formal den Titel des verherrlichten serbischen Volksführers.

Hinzu kommt noch der Erfolg der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS), die mit 14 Prozent (45 Mandate) an zweiter Stelle landete. Gemeinsam haben die beiden bisher regierenden Parteien 204 von 250 Parlamentsmandaten gewonnen. Umso erstaunlicher ist das, weil seit der Regierungsbildung im Juli 2012 die Arbeitslosigkeit von rund 25 auf etwa 30 Prozent stieg, während der Lebensstandard spürbar sank und sich das hochverschuldete Land noch mehr verschuldete.

Präsentation als Retter und Erlöser

Geschafft hat das Vučić, indem er einerseits die Bürger überzeugen konnte, dass die Schuld für ihre soziale Misere einzig und allein die bis 2012 regierende Demokratische Partei (DS) trage, und sich andererseits als Retter und Erlöser Serbiens präsentierte. Die systematische Hetzkampagne der Vučić freundlich gesinnten Massenmedien gegen die DS besorgte den Rest. Die Partei, die über zwei Jahrzehnte lang den Kampf für Demokratie in Serbien symbolisierte, wurde als eine kriminelle Organisation angeprangert, die die Interessen der Tycoons vertrete und nicht jene des Volkes. Vučić wurde zum serbischen Robin Hood hochstilisiert, der die schurkischen Reichen enteignen und dem hungrigen Volk Arbeit und Brot geben würde.

Positiv ist, dass Serbien endlich einen klaren Wahlsieger hat. Seit der demokratischen Wende im Jahr 2000 regierten in Belgrad bunte Koalitionen ohne Prinzipien, was die Entwicklung des Landes lähmte und immer wieder zu vorgezogenen Wahlen führte. Zumal Vučić noch in der Wahlnacht versprach, seinen bisherigen politischen Kurs fortsetzen zu wollen: EU-Integration, Dialog mit dem Kosovo und energische strukturelle und wirtschaftliche Reformen.

Fragile Demokratie

Besorgniserregend ist, dass absolute Macht auch absolute Kontrolle bedeutet. Vor allem in fragilen Demokratien mit schwachen staatlichen Institutionen, wie es die serbische ist. Die SNS, die sich vor nur sechs Jahren von der ultranationalistischen, großserbischen, kriegshetzerischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) abspaltete, kann in ihrer Parteigeschichte nicht auf demokratische Gepflogenheiten zurückblicken. Es ist unvorstellbar, dass jemand Vučić widerspricht. Mit ihren populistischen Methoden, der brutalen Abrechnung mit politischen Feinden, unterstützt von Sicherheitsdiensten, der Spaltung Serbiens in brave Bürger und die "Schergen der Tycoons" (das sind alle, die gegen die SNS sind) benimmt sie sich immer noch wie eine oppositionelle Volksbewegung und nicht wie eine siegreiche Mainstream-Partei.

Die SNS wird praktisch ohne Opposition und ohne kritische Medien regieren. Auch bei (ebenfalls vorgezogenen) Kommunalwahlen in Belgrad, der Hochburg der DS, gewann sie am Sonntag die absolute Mehrheit. Und Staatspräsident Tomislav Nikolić gründete mit Vučić die SNS, der Erfolg der SNS ist sein eigener.

Zu befürchten ist, dass die staatliche Repression proportional zum Grad des zu erwartenden sozialen Unmuts wachsen würde, der sich früher oder später gegen die Machthaber richten wird. Eine Entspannung der katastrophalen Wirtschaftslage ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Und die Versuchung ist groß, die Machterhaltung mit allen Mitteln zu sichern, wenn es niemanden gibt, der die Machthaber kontrolliert.

An Brüssel und den EU-Staaten liegt es nun, Vučić nicht nur wegen seiner kooperativen Kosovo-Politik zu loben, sondern auch darauf zu achten, dass der technische Fortschritt in Richtung EU von der demokratischen Entwicklung und dem Aufbau der Bürgergesellschaft in Serbien begleitet wird. Vučić verdient eine Chance. Und er verdient es, dass sein ausgeprägter Wille zur Macht auch als Wille, Gutes für sein Land tun zu wollen, gedeutet wird. Doch es ist der Wille eines Mannes, der in Serbien über alles entscheiden wird. (Andrej Ivanji, derStandard.at, 17.3.2014)